30.9.06

Enzkreis-Archivare erschließen in zehn Jahren 30.000 historische Akten und Bände

Seit nunmehr zehn Jahren bietet der Enzkreis seinen Gemeinden in Form eines sehr erfolgreichen „Leasing-Modells“ Dienstleistungen für deren Archive: Die Kommunen können gegen Gebühren Archivpersonal des Kreises „mieten“, um ihre Archive dauerhaft zu sichern und für die Öffentlichkeit nutzbar zu machen.

Zum 1. Oktober 1996 wurde Diplom-Archivarin Heike Sartorius als Fachkraft für die so genannte kommunale Archivpflege im Enzkreis eingestellt. Der Handlungsbedarf in den 26 Städten und Gemeinden, die nicht über eigenes hauptamtliches Archivpersonal verfügen, war riesig – und entsprechend rasch auch die Warteliste sehr lang. Um die Gemeinden nicht bis zum „Sankt Nimmerleinstag“ vertrösten zu müssen, stockte der Enzkreis im Sommer 2001 sein Personal auf und stellte mit dem Historiker Dr. Karl J. Mayer eine weitere Archivkraft ein. Im Bereich der kommunalen Archivpflege kann das Kreisarchiv des Enzkreises nun also ein zehn- und gleichzeitig auch noch ein fünfjähriges Jubiläum begehen.

Abb.: Heike Sartorius und Dr. Karl J. Mayer mit den vom Kreisarchiv herausgegebenen Findbüchern der Gemeindearchive (© Enzkreis).

Das baden-württembergische Landesarchivgesetz macht den Kommunen die Erschließung ihrer Archivbestände zur Pflichtaufgabe. Das aus dem Verwaltungshandeln der Gemeinde heraus entstandene Schriftgut, sozusagen des „kommunale Gedächtnis“, ist und bleibt dabei Eigentum der Gemeinde. Hauptaufgabe der kommunalen Archivpflege ist zunächst die Sichtung und Bearbeitung der schriftlichen Unterlagen, die inhaltliche Wertung und die EDV-gestützte Verzeichnung des archivwürdigen Schriftguts. Hinzu kommt die Herstellung eines Findbuchs und die sachgerechte Verpackung zur dauerhaften Aufbewahrung der Bestände. Daneben koordinieren die Archivare Umlagerungsmaßnahmen und beraten die Gemeinden in allen Fragen der Registraturführung und der Schriftgutverwaltung.

Die oft staubige Arbeit vor Ort auf den Dachböden und in den Kellern birgt einiges an Überraschungen, wie die Mitarbeiter des Kreisarchivs lebhaft zu berichten wissen: „Wespennester, lebendige und mumifizierte Insekten, Taubenkot, Mäusedreck und Blindschleichen – alles schon vorgekommen!“ Doch die wirklichen Sensationen stecken in den Archivbeständen und zeigen sich meist unverhofft: Sei es der besonders prächtige Einband eines alten Folianten, Splitter von Granaten, die in den letzten Kriegstagen vor über 60 Jahren in Rathausdachböden einschlugen und in den Rechnungsbänden stecken blieben, verloren gegangen geglaubte Unterlagen, Urkunden mit gut erhaltenen Wachssiegeln in Holzkapseln, wunderschöne handgezeichnete und kolorierte Pläne: „Man kann auch nach zehn Jahren noch ins Schwärmen geraten“, so Heike Sartorius, die man meist im Kittel und mit Handschuhen antrifft. Beides dient dem Schutz, wobei sie nicht ganz selbstlos anfügt: „Sowohl zum Schutz der Unterlagen vor Fett und anderem Schmutz an meinen Händen, als auch zu meinem Schutz insbesondere vor Schimmel, den man immer wieder vorfindet und der dann fachgerecht entfernt werden muss.“

Auch bei der Erarbeitung und Herausgabe von Ortschroniken nutzen die Kreisgemeinden inzwischen gerne das Know-how des Kreisarchivs. Denn Archivarbeit und Geschichtsschreibung sind eng miteinander verbunden. So verfasste Karl Mayer das Buch „Diktatur auf dem Dorf – die württembergische Gemeinde Illingen im Dritten Reich“. Mayer weiß daher ganz genau: „Ohne ein geordnetes Gemeindearchiv ist eine seriöse Ortsgeschichts-Forschung kaum möglich“.

Die bisherige Bilanz des „Leasing-Modells“ kann sich sehen lassen: Inzwischen sind rund dreißigtausend Archivalieneinheiten erfasst, die – nebeneinander aufgestellt – einen ganzen Kilometer weit reichen würden. Die Findbuchreihe des Kreisarchivs weist inzwischen 18 Bände auf, zwei Maßnahmen stehen vor dem Abschluss, vier weitere sind in Bearbeitung. Dass Heike Sartorius und Karl Mayer einmal die Arbeit ausgehen wird, ist indes nicht zu erwarten. Denn tagtäglich produzieren die Gemeindeverwaltungen neue Aktenstapel, die zu gegebener Zeit gesichtet und archivisch erschlossen werden müssen.

Kontakt:
Landratsamt Enzkreis
Kreisarchiv
Zähringerallee 3
75177 Pforzheim
Telefon: (07231) 308-423
Fax: (07231) 308-837
Kreisarchiv@enzkreis.de

Quelle: Enzkreis, Pressemitteilung 256/2006, 28.9.2006

28.9.06

Historische Bildungsarbeit – Öffentlichkeitsarbeit. Eine theoretische Annäherung

Vortrag im Arbeitskreis Archivpädagogik und Historische Bildungsarbeit auf dem 76. Deutschen Archivtag in Essen, 26. September 2006

Das Letzte, was einen Archivpädagogen an der Bildungsarbeit interessiert, ist die Theorie. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn schließlich zeichnen sich ja gerade die Archivpädagogen und jene Archivmitarbeiter, die mit der Archivpädagogik, mit der Historischen Bildungsarbeit und Öffentlichkeitsarbeit befasst sind, durch ihre praktischen Veranlagungen, durch ihr Organisationstalent, ihre Kreativität und ihre Vermittlungskompetenz besonders aus. (Ich hoffe, dass ich durch diese positiven Zuschreibungen noch mal die Kurve gekriegt habe angesichts meines ein wenig indignierenden Einleitungssatzes, übrigens ein abgewandeltes Zitat des amerikanischen Sexualforschers Kinsey, der dies auf Frauen und die Liebe bezog). Zudem bin ich ja gerade von Archivpädagogen eingeladen worden, hier eine theoretische Annäherung an die Historische Bildungsarbeit und Öffentlichkeitsarbeit, halt: an die Historische Bildungsarbeit Spiegelstrich Öffentlichkeitsarbeit zu wagen. Ich danke für diese undankbare Aufgabe, zwischen einer szenischen und einer praktischen Annäherung an die Bildungsarbeit nun die „dröge“ Theorie verbreiten zu dürfen. Nehmen Sie mich also am besten als unumgängliche Brücke zwischen den blühenden Ufern der Praxis!

Nun zur Sache: Ich habe über ein Thema zu berichten, das eigentlich aus mindestens zwei Bereichen besteht. „Mindestens“ sage ich, weil neben der Historischen Bildungsarbeit und der Öffentlichkeitsarbeit natürlich auch die Archivpädagogik ein originärer Aspekt des abzusteckenden und zu verortenden Tätigkeitsfeldes ist. Diese babylonische Begriffsvielfalt hat, wie sollte es anders sein, historische Ursachen. Sie liegt in der Genese einer Disziplin begründet, die seit Jahrzehnten um Akzeptanz innerhalb der Archivszene und der archivarischen Ausbildung ringt. Ich kann nicht sehen, dass Historische Bildungsarbeit und Öffentlichkeitsarbeit, dass Archivpädagogik oder auch Archivmarketing – ich spreche summarisch ganz gern von „Historischer Kommunikation“ – heute bereits adäquat etablierte Aufgabenbereiche im Kanon der archivischen Praxis wären. Erfreulich ist immerhin, dass die Historische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen von Weiterbildungsveranstaltungen für Archivare und andere Kulturarbeiter eine gewisse Tradition aufweisen kann, dass es sie auch schon als eigenes Referat innerhalb von Landesarchivverwaltungen gibt, so in Baden-Württemberg, und dass sie jetzt auch mit Frau Prof. Susanne Freund als Lehrgebiet an der Fachhochschule Potsdam verankert ist. Herkömmlich aber hat sich die Historische Bildungsarbeit als Resultat eines Außen- und Binnendruckes in verschiedenen Nischen der archivischen Landschaft eingenistet, dabei Freiräume erkannt und genutzt („Spielwiesen“ hat Clemens Rehm das einst genannt). Nachdem die Geschichtswissenschaften seit den achtziger Jahren durch diverse kultur- und alltagsgeschichtliche Erweiterungen allmählich wieder Boden gegenüber den Sozialwissenschaften zur Erklärung der Welt gut machen konnte, eröffnete sich auch ein Arbeitsfeld für Historische Bildungsarbeit, die sich im Konkreten durch die Arbeit mit und in Archiven nähren konnte. Historische Bildungsarbeit der Archive geschieht dabei traditionell adressatenorientiert, in Gestalt der Archivpädagogik speziell in Zusammenarbeit mit Schulen, Schülern und Lehrern als ausgewählter Öffentlichkeit. Man könnte Historische Bildungsarbeit und Öffentlichkeitsarbeit so zuordnen, dass das eine als Unterabteilung des anderen zu behandeln wäre. Das ist aber nicht mein Verständnis beider Aufgabenfelder. Im Archivwesen ist Historische Bildungsarbeit Öffentlichkeitsarbeit mit pädagogischen, didaktischen und historisch-kritischen Mitteln. Und Öffentlichkeitsarbeit ist Historische Bildungsarbeit mit journalistischen und Marketing-Instrumenten.

Dass ein Deutscher Archivtag sich dem Rahmenthema „Archive und Öffentlichkeit“ widmet, ist dabei nichts Neues. Denn bekanntlich lautete bereits das Thema des 45. Deutschen Archivtags in Kiel 1969 „Archivische Öffentlichkeitsarbeit“. Und führt man sich in diesem Zusammenhang noch einmal Hans Booms’ damaligen Vortrag über Voraussetzungen und Möglichkeiten einer Öffentlichkeitsarbeit der Archive vor Augen, so kommt seinen Aussagen eine geradezu erschreckende Aktualität zu und man muss besorgt fragen, ob wir eigentlich gar nicht vorangekommen sind in all den Jahren: Bereits Booms konnte einen gewissen Trend zur Implementierung von PR und Öffentlichkeitsarbeit in öffentlichen Verwaltungen feststellen, bemerkte das Imageproblem der Archive und die notwendige Erweiterung des archivarischen Berufsbildes; er nahm definitorische Unterscheidungen zwischen archivischer Selbstdarstellung und öffentlicher Bildungsarbeit vor und sprach nicht nur vom historischen Datenspeicher Archiv, sondern vor allem von der Verpflichtung der Archivare, sich im Kontext der „Freedom of Information“ an der Bildung der demokratisch strukturierten Öffentlichkeit zur politischen Mündigkeit zu beteiligen. Die Passage aus Willy Brandts erster Regierungserklärung, die fünf Wochen nach dem Kieler Archivtag gehalten wurde – „Wir wollen mehr Demokratie wagen“ – könnte auch von Hans Booms stammen, und eigentlich reicht es aus, sich seinen Vortrag jeden Morgen vor Augen zu führen, um engagiert das eigene Tagewerk zu beginnen.

Was ist also alles nicht geschehen in den vergangenen 37 Jahren?

  • Das Image der Archive ist nicht positiv.
  • Die Öffentlichkeitsarbeit der Archive geschieht nicht effizient.
  • Die Historische Bildungsarbeit ist kein selbstverständlicher Bestandteil des archivarischen Tätigkeitsfeldes.
  • Es gibt keine Archivwissenschaft und keine Archivdidaktik.
  • Das Berufsbild des Archivars ist vertikal, nicht horizontal differenziert.
  • Es gibt zu wenig Verständnis von und für Archivmanagement.

Ich weiss, die Liste ist schroff und undifferenziert. Sie wird den zahlreichen konstruktiven Initiativen und Ansätzen aus all diesen Manko-Bereichen nicht gerecht. Ich werde jetzt dennoch nicht jene Literatur zitieren, die mich im Detail widerlegen könnte und die uns glauben machen könnte, dass wir uns – nennen wir es ruhig archivpolitisch – auf dem richtigen Wege befinden. Denn zum einen ließe sich die Liste noch wesentlich verlängern, und zum anderen hat ein wirklicher Bewusstseinswandel für ein modernes Verständnis von den Aufgaben des Archivs unter den Prämissen der Historischen Bildungsarbeit und Öffentlichkeitsarbeit in der Breite noch nicht stattgefunden. Mentalitäten ändern sich bekanntlich am schwerfälligsten.

Aber woran liegt es letztlich, dass all die Ansätze, die wir in den verschiedenen Disziplinen des Archivwesens zur Reform desselben sowie zur Reform der Ausbildung der Zunft vorgenommen haben, nicht (oder noch nicht) greifen? Sicherlich hat es mit dem heterogenen und fachgruppenverteilten Archivwesen in Deutschland zu tun. Was eine Chance für dezentrale Lösungsmodelle und fachlich eigenständige Wege sein könnte, stellt sich häufig genug als Wettbewerbssituation unter eitlen Konkurrenten dar. Die Reform vieler Landesarchivdirektionen erweckt den Anschein, als müsse nun in jedem Bundesland das Rad der archivischen Aufgabenverteilung, Rollenzuschreibung und Selbstdarstellung noch einmal neu erfunden werden. Eigeninteressen dominieren auch die Lobbyarbeit – sofern es eine solche überhaupt gibt. Der Berufsfachverband, der letztlich nur ein Spiegelbild der archivischen Wirklichkeit sein kann, ist bereits mit zunftinternen Moderationsaufgaben gut ausgelastet. Es reichen die ehrenamtlichen Tätigkeiten jedoch nicht mehr aus, um auch auf der politischen bzw. kulturpolitischen Ebene als Interessenvertretung oder gar als „Pressure Group“ wahrgenommen zu werden. Wir können aber nicht ständig von den Archiven als dem „Gedächtnis der Gesellschaft“ und als „unseren Schatzkammern“ schwadronieren, wenn wir uns letztlich nicht auch wie Entscheider verhalten und unsere Rolle annehmen, aktiv beanspruchen und kompetent wahrnehmen! Dass wir Archivarinnen und Archivare tagtäglich an nicht unerheblicher Stelle verantwortlich sind für die Gestaltung unserer Zukunft, das müssen wir auch so kommunizieren – nach innen und nach außen. Wir ermöglichen ja nicht nur den zeitnahen Zugriff auf den Fundus unseres gesellschaftlichen Orientierungswissens, wir machen ja auch unsere Behörden und Unternehmen handlungsfähig, sorgen für Rechtssicherheit, bilden unsere Kinder mit aus und ermöglichen jeder Generation das eingeforderte und notwendige „lebenslange Lernen“. Daher muss mit unserer Aufgabenwahrnehmung auch die Außenwahrnehmung unserer Zunft und unserer Einrichtungen auf einem authentischem Niveau deckungsgleich sein.

Neben der Lobbyarbeit als Teil der indirekten Öffentlichkeitsarbeit gilt es ebenso die direkte Öffentlichkeitsarbeit zu verbessern und zu professionalisieren. Kommunikation mit der Öffentlichkeit muss zielgruppenbezogen und wechselseitig erfolgen. Fraglich ist, wieso das eigentlich den Archivpädagogen bzw. den Archivarinnen und Archivaren überlassen sein muss, die auf dem Gebiet der Historischen Bildungsarbeit tätig sind? Öffentlichkeitsarbeit oder neudeutsch: Public Relations ist ein eigenes Berufsfeld, ein Marketinginstrument, für das man spezifische Kenntnisse und nicht nur Talent benötigt. Wenn wir vom „Lobbying“ oder auch vom „Issue Management“ reden, mit dem wir unsere Themen und Ideen in den öffentlichen Meinungsbildungsprozess einbringen, wenn wir an die interne Kommunikation mit den Archiv-, Behörden- und Unternehmensmitarbeitern denken, wenn wir das Sponsoring und die Pressearbeit (als die Klassikerin der Öffentlichkeitsarbeit) ordentlich betreiben wollen, dann muss auch dies nach den Regeln der Kunst geschehen. Wir haben ja bereits häufiger die alte PR-Weisheit „Tue Gutes und rede darüber“ in den archivischen Bereich übertragen gesehen. Es muss aber mehr noch darum gehen, auch zu wissen, wie man darüber gekonnt zu reden hat. Öffentlichkeitsarbeit wird ja zwar kaum mehr mit zeitlich und räumlich begrenzter Werbung verwechselt, aber dennoch legen die Archive und die sie tragenden Behörden und Einrichtungen häufig nicht genug Engagement in den Aufbau langfristiger und vertrauensvoller Beziehungen zu den Medien. Wichtig ist ein ständiger Dialog mit den Zielgruppen, also mit der relevanten Öffentlichkeit (das wirkt dann auch in die breite Öffentlichkeit). Zwar genießen Archive und deren Mitarbeiter aufgrund der Gediegenheit ihres Tuns sowie aufgrund ihres alltäglichen Umgangs mit Texten einen Vertrauensvorschuss in Redaktionen, doch landen beispielsweise bei einer Tageszeitung täglich mehrere hundert Pressemitteilungen und Veranstaltungshinweise, so dass wir Archivarinnen und Archivare bereits wie Journalisten denken (zumindest an die Journalisten denken) sollten, wenn es um das Herausfiltern von Informationen und um die Übernahme in den redaktionellen Teil einer Zeitung geht. Wenn Öffentlichkeitsarbeit hingegen punktuell betrieben wird oder von unterschiedlich eingeweihten Ansprechpartnern, wenn die Qualität der eigenen Meldungen spürbar variiert, wenn die Aktualität, die Originalität, die Prominenz oder die Folgeschwere des Ereignisses nicht herausgestellt worden ist, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir zwar Gutes tun, dies aber nicht vernommen wird. Wir bringen uns regelmäßig um die Früchte unserer Arbeit. Treten wir also unseren Öffentlichkeitsreferenten, Pressesprechern oder persönlichen Referenten des Bürgermeisters auf die Füße, damit sie mit uns – und zwar in Abstimmung mit den jeweils fachlich kompetenten oder sachlich zuständigen Personen aus dem Archiv – die richtigen PR-Maßnahmen in die Wege leiten.

Wenn PR professionell erfolgt, wenn archivarische Leistungen und archivische Dienstleistungen den Zielgruppen kompetente und erwünschte Lösungen präsentieren, dann birgt das natürlich auch die Chance zur Beeinflussung des „Images“ eines Archivs, des Archivträgers und auch des Archivwesens im Allgemeinen (das wir vor Ort repräsentieren). Der Aufbau eines positiven Images ist das Ziel von Öffentlichkeitsarbeit. Ein gutes Image verkauft Dienstleistungen (und wenn wir unsere Tätigkeiten schon als Dienstleistungen interpretieren, dann müssen wir eben auch die Vorstellung von Marktsituationen akzeptieren, wo wir im Wettbewerb mit Mitbewerbern stehen). Ein gutes Image baut aber nicht nur verfestigte Vorurteile ab und macht Archive nicht nur attraktiv für Nutzer („Kunden“ müssen wir sie dann ja konsequenterweise nennen), ein gutes Image motiviert auch die Mitarbeiter und sorgt für die Gewinnung von qualifizierten Nachwuchskräften. Dies halte ich für sehr entscheidende Faktoren für die Akzeptanz unserer Tätigkeit und die Existenz unserer Einrichtungen.

Dabei muss uns sehr bewusst sein (und ich habe das schon en passant einfließen lassen): Archivmitarbeiter sind eben nicht nur Repräsentanten des Archivs, sondern durch das mehr oder weniger hohe Benutzeraufkommen auch Repräsentanten ihrer Archivträger. Die Beziehung zu den eigenen Behörden, Verwaltungen und Unternehmensabteilungen erscheint mir aber vielfach als immer noch dringend verbesserungsfähig. Marketingkonzepte der Archivträger müssen das Archiv, das auf den Feldern der Öffentlichkeitsarbeit und Historischen Bildungsarbeit wirkt, zwingend mit einschließen. Das darf von uns gefordert werden und das müssen wir auch einfordern! Schließlich repräsentiert jedes Archiv auch das Archivwesen als Ganzes. Dies müssen wir uns in unserem Tun ebenfalls stets vor Augen führen! Eine Konsequenz daraus muss eine Verbesserung der zwischenarchivischen Kooperation sein sowie die Stärkung der archivischen Solidarität. Die Kommunikationsfähigkeit zwischen Archiven ist immer noch beschränkt, das gilt aber nicht nur für die „Sender“; auch potenzielle „Empfänger“ stellen sich häufig taub, weil sie meinen, ihnen könne ohnehin nicht geholfen werden. Gerade kleine Archive, Ein-Personen-Archive, die haupt-, neben- oder auch ehrenamtlich geführt werden, haben aber ein vitales Interesse an fachlichem Austausch, an Beratung und an Unterstützung bei jenen Aufgaben, die sie allein häufig nicht stemmen können. Die archivische Solidarität muss in diesem Punkte auch dazu verhelfen, dass solche Archive auch innerhalb ihrer eigenen Verwaltungen eine Rückenstärkung erfahren.

Das hier kurz Angeführte sind nur einige Zielrichtungen und Vorgehensweisen archivischer Öffentlichkeitsarbeit. Inhaltlich haben wir dabei ein überaus großes Pfund, mit dem wir wuchern können: das uns anvertraute authentische Material. Wir besitzen eine Monopolistenstellung, die wir marktwirtschaftlich viel zu wenig ausnutzen. Dabei geht es mir nicht um finanziellen Gewinn (ich halte Archive als Bildungseinrichtungen hingegen notwendigerweise und naturgegeben für investive Betriebseinheiten), sondern es geht mir vor dem Hintergrund des Gesagten darum, die zentrale Funktion der Archive für die Archivträger, für den Sprengel und für die Gesellschaft angemessen herauszustellen. Neben dem Argumentieren mit dem „Original“ müssen wir uns auch des Aspektes der „Transparenz“ noch stärker bewusst werden. Im Kontext von Open Access und der wirklichen Umsetzung von Informationsfreiheitsgesetzen sind die Archive „demokratische Lernorte“ in historischen und gegenwärtigen Bezügen. Wir müssen dabei auf unsere Rolle als Querschnittseinrichtung pochen, gehören konkret besser zum Hauptamt und nicht als Unterabteilung zu Kultur und Sport etc.. Wir verfügen über die entsprechende Kompetenz oder sind zumindest willens uns kontinuierlich fachlich weiterzuentwickeln. Lassen Sie sich als Archiv also weder negativ abstempeln noch – nur als Beispiel genannt – auf den Internetpräsenzen Ihrer Behörden, Kommunen und Unternehmen derart unauffindbar ablegen, als würde man sich Ihrer schämen! Archive sind von zentraler Bedeutung, und Öffentlichkeitsarbeit ist für Archive und ihre Träger von zentraler Bedeutung.

Ich komme damit zu einem anderen Punkt, der mir sehr am Herzen liegt: den Kern- und Randbereichen archivischer Tätigkeit. Mein Plädoyer lautet: Unterlassen wir doch bitte die selbstzerstörerische Trennung von ganz selbstverständlich zusammenhängenden Aufgaben! Dass sich archivische Aufgaben (wie Bewertung, Verzeichnung, Auswertung usw.) unterscheiden lassen und dass sie als Arbeitsschritte aufeinander folgen, darf weder als Legitimation für eine Hierarchisierung der verschiedenen Aufgaben dienen noch zu ihrer Scheidung in Kern und Schale führen. Es ist schlichtweg ein traditionelles Missverständnis vom Archivarsberufs, die Schriftgutfixierung der Benutzerorientierung vorzuziehen (oder vorzuschieben). Volker Schockenhoff hat ja schon vor Jahren auch für Deutschland die unumgängliche Transformation unserer „Papierarchive“ zu „Menschenarchiven“ angemahnt. Wären Archive allein zur Aktenerhaltung und Aufbewahrung da, dann übergingen wir nicht nur fahrlässig das Informationspotenzial und den Bildungsauftrag der Archive, dann führten wir letztlich auch den wissenschaftlichen Anspruch unseres Berufes ad absurdum. Wenn wir aber einerseits das Wort von den „Archivwissenschaften“ im Munde führen (ich bin unsicher, ob es solche gibt), dann müssen wir auf der anderen Seite auch den wissenschaftlicher Archivar des höheren Dienstes zu wissenschaftlicher Erkenntnisleistung, Theoriebildung und Grundlagenforschung herausfordern, weil ansonsten nicht erklärlich wäre, wieso wir unser immer noch recht undurchlässiges berufliches Kastensystem aufrechterhalten. Das archivarische „Handwerk“ erlernen schließlich auch die Diplom-Archivare und sie beweisen als „Universalisten“ und Einzelkämpfer in der Berufspraxis häufig genug, dass sie die breite Aufgabenpalette ihres zeitgemäß verstandenen Berufes annehmen und ausfüllen können. Um es aber auch deutlich zu sagen: So wenig wie ein Historiker trotz Talent und Begeisterung für eine archivische Tätigkeit automatisch zum Archivar mutiert, so wenig sind auch Diplom-Archivare allein durch ihren täglichen Umgang mit historischen Quellen Historiker. Und Historiker und Archivare sind auch nicht automatisch Pädagogen oder PR-Fachleute – und jeweils umgekehrt. Der eine ist aber auch nicht des anderen Erfüllungsgehilfe. Wir sollten insofern, soweit die personellen Voraussetzungen gegeben sind, in den Archiven stärker teamorientiert als laufbahnbezogen denken und arbeiten. Wir müssen die berufliche Qualifikation den Anforderungen und den Ansprüchen, die unsere „Häuser der Geschichte“ stellen, anpassen und uns viel stärker nach den Kompetenzen als nach den Zuständigkeiten richten. Und wir müssen tatsächlich auch über „Tellerränder“ zu schauen lernen, so wie zum Beispiel bei der Überlieferungsbildung, wo ja seit einiger Zeit ein stärkerer Dialog mit der historischen Forschung gefordert wird.

Die Angst, das schützende Kerngehäuse unserer Institutionen verlassen zu müssen, um sich mit vermeintlichen Randbereichen zu beschäftigen, ist möglicherweise auch einfach nur Ausdruck von Hilflosigkeit (böse kann man auch behaupten: und von persönlicher Disposition, denn wir müssen uns doch kritisch fragen lassen, ob wir uns beruflich nicht doch bewusst für den „Elfenbeinkeller“ entschieden haben, von dem wir dieselben stereotypen Vorstellungen von Staubnähe und Lebensferne hatten, die wir heute um unserer Existenz willen bekämpfen müssen). Natürlich ist es schwierig, das, was weder das Berufsbild noch die Berufsausbildung vermitteln, fachlich angemessen zu kompensieren. Es zeugt sogar von einer guten Selbsteinschätzung, wenn man seine Defizite hier benennen kann und mag. Aber wir dürfen uns dem Wandel des Berufsbildes nicht verschließen. Es ist keine Geheimwissenschaft, was man im apostrophierten Randbereich archivischer Aufgaben leisten muss, und es wird dadurch – entgegen allen prominenten Einsprüchen – auch nicht das Zeitbudget für die sog. Kernaufgaben beraubt. Wenn wir die Argumente der knapper werdenden Mittel, der Verwaltungsreform und des Aufgabenabbaus leichtfertig zum Schutz unserer lieben Kernaufgaben selbst aufgreifen und anführen, dann berauben wir uns hingegen unserer eigenen Grundlagen. Denn wer unserer Geldgeber, unserer Sponsoren und unserer Kunden wird sich im Ernstfalle darauf einlassen, mit uns in unserer selbstgeprägten Währung „verzeichnete Laufmeter“ zu verhandeln? – Wir müssen in unseren herkömmlichen Kernaufgaben einem gewissen Primat der Nutzerorientierung huldigen, was wir aber nur können, wenn wir durch unsere Öffentlichkeitsarbeit und unsere Bildungsarbeit in einem kontinuierlichen Kommunikationszusammenhang mit den Adressaten stehen.

Für mich münden die Herausforderungen von Öffentlichkeitsarbeit und Historischer Bildungsarbeit, die ich – wie dargelegt – als elementare archivarische Tätigkeitsfelder verstanden wissen möchte, die ebenso viel Knowhow, Ausdauer und strategische Planung bedürfen wie die anderen Fachaufgaben, notwendigerweise ein in ein Gesamtkonzept von Archivmanagement. Über ein solches strategisches Management kann man sich auch als Non-Profit-Einrichtung durchaus bei den herkömmlichen Managementkonzepten der Betriebswirtschaftslehre und der Unternehmen bedienen. Und Sie werden schnell feststellen, dass derartige Adaptionen mit hohem Wiedererkennungswert mittlerweile in vielen Branchen vorgenommen werden, sei es im Stadtmarketing, im Tourismusmanagement oder in anderen Dienstleistungsbereichen. Diese Instrumente für strategisches Management, wie Stärken-Schwächen-Analyse, Potenzialanalyse, Marketing, Leitbildentwicklung, Qualitätsmanagement und Controlling, basieren in Etlichem auf dem, was ich auch für die Öffentlichkeitsarbeit und Historische Bildungsarbeit als grundlegend angesprochen habe, nämlich die Kundenorientierung, die Festlegung realistischer Ziele, flache innerbetriebliche Hierarchien, Qualität als Maßstab sowie kontinuierliche Binnen- und Außenkommunikation. – Das ist übrigens erlernbar, das ist leistbar und das macht sogar Spaß!

Ich möchte aber abschließend auch noch einmal zu denjenigen Stimmen Stellung beziehen, die meinen könnten und meinen werden, mit der ja nicht allein von mir vertretenen Auffassung von Öffentlichkeitsarbeit, Historischer Bildungsarbeit und Archivmarketing würden wir nicht nur unser „Proprium“ verlassen, sondern uns auch unnötigerweise in eine Konkurrenzsituation mit anderen Kultureinrichtungen und sogar Eventveranstaltern begeben, mit der wir in professioneller Hinsicht überfordert sind. Sofern wir unsere Ziele vernünftig planen, sofern wir die Wünsche unserer Zielgruppen in Erfahrung bringen und sofern wir unsere Schwächen und Stärken genau kennen, haben wir als gesellschaftlicher „Lernort“ gar keine Konkurrenz zu fürchten, denn unsere Produkte sind einzigartig und die Qualität unserer Arbeit ist über jeden fachlichen Zweifel erhaben.

Ich sehe natürlich auch, dass wir möglicherweise gar nicht mehr in einer Dienstleistungsgesellschaft leben (just in dem Moment, wo wir als Archive darin angekommen sind), denn die Dienstleistungsangebote sind heutzutage derart lückenlos ausgereift, dass wir uns wie in einem ,betreuten Leben mit Vollpflegestufe‘ fühlen dürfen. So leben wir möglicherweise im Zeitalter der „Erlebnisgesellschaft“, in der Glückssuche und Genuss als oberste Lebensziele gelten. Aber dass man den Besuch im Archiv als Genuss und zudem nicht nur als Suche, sondern sogar als das Finden von Glück empfinden darf, scheint doch wohl fraglos der Fall zu sein! Und wo das noch nicht der Fall ist, da können vielleicht die gegebenen Anregungen ein wenig weiterhelfen …

(Jens Murken)

(Download des um Anmerkungen erweiterten Vortrags als pdf-Datei)

27.9.06

Aktenbestand der Stadtverwaltung Hartenstein im Kreisarchiv Zwickauer Land

Ende der 1990er Jahre begann die Übergabe des Archivbestandes der Stadt Hartenstein an das Kreisarchiv Zwickauer Land. Bedingt durch den Umzug des Kreisarchivs 2001/02 in die neuen Räumlichkeiten in der Königswalder Str. 18 in Werdau konnte die Übergabe erst 2003/04 fortgesetzt und 2006 abgeschlossen werden. Diese Übernahme erfolgte auf Grund der Tatsache, dass die Sicherung und Nutzung des Archivgutes in der und durch die Stadt Hartenstein nicht ausreichend gewährleistet war und dringender Handlungsbedarf bestand.

In der Stadtverwaltung Hartenstein wurden überwiegend durch ABM-Kräfte umfangreiche Listen über die dort vorhandenen Akten erstellt. Anhand dieser an das Kreisarchiv eingereichten Auflistungen erfolgte eine erste Bewertung. Nach der tatsächlichen Übergabe der Akten erfolgte in Verbindung mit der Erschließung im Kreisarchiv eine weitergehende Bewertung. In deren Folge wurde ein zusätzliches Kassationsprotokoll angefertigt, in dem die nachkassierten Akten vermerkt wurden. Vor der körperlichen Vernichtung des Kassationsgutes wurde die schriftliche Zustimmung der Stadt Hartenstein als Eigentümers des Archivgutes eingeholt.
Abb.: Lesesaal Kreisarchiv Zwickauer Land (© Kreisarchiv ZL)

Vor der inhaltlichen Bearbeitung erfolgte zuerst gemäß der Provenienz die Zuordnung der Akten zu den jeweiligen Verwaltungen, in denen sie entstanden waren, d.h. Stadt Hartenstein, Gemeinden und heutige Ortsteile Stein, Thierfeld und Zschocken inklusive bereits seit längerem im Kreisarchiv vorhandener Akten dieser Ortsteile. Weiterhin erfolgte für jeden Ort die Bestandstrennung nach dem im Kreisarchiv üblichen chronologischen Prinzip, d.h. kommunale Bestände I bis 1945, Bestände II 1945-1990 sowie Bestände III ab 1990.

Die inhaltliche Erschließung wurde durch eine Diplomarchivarin (FH) in Abstimmung mit der Kreisarchivarin und der Stadtverwaltung Hartenstein fachlich qualifiziert und in Anlehnung an die Ordnungs- u. Verzeichnungsgrundsätze DDR 1964 durchgeführt. Bewährt hat sich dabei und für die Erstellung von Findmitteln die im Kreisarchiv umfangreich genutzte Software AUGIAS. Zur Klassifizierung standen für die unterschiedlichen Zeitepochen der Bestände drei im Kreisarchiv erstellte Klassifikationen zur Verfügung.

Im Ergebnis der intensiven inhaltlichen Erschließung wurden für die Bestände I und II der Stadt Hartenstein und seiner Ortsteile sieben thematisch geordnete Findbücher sowie für die Bestände III nach 1990 drei vorläufige Verzeichnisse angefertigt. Diese Findbücher stehen für Benutzungen im Kreisarchiv zur Verfügung. Zusätzlich wurden für alle Bestände fortlaufende Bestandslisten erstellt, die als Nachweis des Verbleibs der Akten dienen. Diese Bestandslisten wurden der Stadtverwaltung Hartenstein in Kopie übergeben. Die Listen sollen dort auch als Übersicht für Anfragen zur Aufgabenerfüllung der Verwaltung zur Verfügung stehen.
Insgesamt umfassen alle der Stadt Hartenstein gehörenden Bestände rund 65 lfm, davon betreffen ca. 45 lfm die Stadt Hartenstein, 13 lfm die Gemeinde Zschocken, 6 lfm die Gemeinde Thierfeld und 0,5 lfm die Gemeinde Stein. Zeitlich erstrecken sich die Bestände z. T. über rund 450 Jahre. Die Überlieferung einzelner Akten in Hartenstein beginnt 1553, verstärkt ab etwa 1720 bis z. Zt. 2001. Die Akten von Stein umfassen den Zeitraum 1841-1945 und bis zur Eingemeindung liegen Akten für Thierfeld im Zeitraum 1682-1994 und Zschocken 1806-1996 vor.

Einige wenige während der Bearbeitung ermittelte Einzelakten mit Provenienzen Hartensteiner Herrschaften wurden Ende 2005 zuständigkeitshalber dem Staatsarchiv Chemnitz übergeben.Die Bestände geben Auskunft über das städtische und dörfliche Leben in all seinen Facetten.Akten zum Bierstreit, Sitz des Amtsgerichtes, dem vielseitigen Vereinslebens, den Festspielen um den Prinzenraub und die Entwicklung zur Erholungs- und Sportstadt wird durch die Archivalien des Stadtbestandes Hartenstein über die wechselnden Zeit- und Herrschaftsepochen anschaulich dokumentiert. Auch die Auswirkungen des angrenzenden Oelsnitz-Lugauer Steinkohlebergbaus finden in den Archivalien ihren Niederschlag.Ein umfangreiches Brandkataster gibt Auskunft über die Bebauung und Hausbesitzer Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts.

Neben der inhaltlichen Bearbeitung erfolgte auch die so genannte technische Bearbeitung. Dazu gehörten v. a. die Säuberung besonders verschmutzter Akten, die Einlagerung in säurefreie Archivmappen und Archivkartons, eine korrekte einheitliche Beschriftung und natürlich die Einlagerung in die klimatisierten Archivmagazine.

Die Nutzung der Archivbestände der Stadt Hartenstein und seiner Ortsteile ist nunmehr für alle interessierte Bürger und Einrichtungen im Rahmen der Rechtsvorschriften im Kreisarchiv möglich.Die Archivalien stehen insbesondere auch der regionalgeschichtlichen und heimatkundlichen Forschung nach Voranmeldung im Benutzersaal (Öffnungszeiten: Di 9.00-12.00, 13.00-18.00 Uhr und Do 9.00-12.00, 13.00-16.00 Uhr) zur Direkteinsicht offen. Schriftliche Anfragen werden durch das Kreisarchiv bearbeitet.

Die Akten sind weiterhin Eigentum der Stadt Hartenstein, die auch prinzipiell gemäß Sächsischen Archivgesetzes vom 17.05.1993 die volle Verantwortung zur Umsetzung der archivischen Pflichtaufgaben trägt.Entsprechend der Archivsatzung des Landkreises Zwickauer Land vom 05.12.2005 werden im Kreisarchiv die archivfachlichen Anforderungen hinsichtlich Personal, Räumen und Ausstattung eingehalten. Die archivierten Akten lagern im Kreisarchiv unter optimalen klimatischen und konservatorischen Bedingungen. Die Einhaltung zahlreicher spezifischer Rechtsvorschriften bei Benutzung der Akten ist gewährleistet.

Der Stadtverwaltung Hartenstein wurde zur vertraglichen Regelung über die Übernahme und Verwaltung der Archivbestande der Stadt Hartenstein und seiner Ortsteile durch das Kreisarchiv Zwickauer Land ein Mustervertrag auf der Grundlage der Archivsatzung des Landkreises Zwickauer Land übermittelt. Darin soll auch vertraglich die weitere Übergabe des neu in der Tätigkeit der Stadtverwaltung entstehenden Archivgutes geregelt werden. Der Vertragsabschluss wird noch für 2006 angestrebt.

Anette Hänel, Kreisarchivarin

Kontakt:
Landratsamt Zwickauer Land
Kreisarchiv
Königswalder Str. 18
08412 Werdau
Tel. 03761/561690
archiv@zwickauerland.de
www.zwickauerland.de

25.9.06

Geschichtswettbewerb 2006/07: Jung und Alt in der Geschichte

Am 1. September 2006 hat der neue Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten für alle unter 21-Jährigen begonnen (Pressemitteilung 1.9.2006). Unter der Überschrift "miteinander – gegeneinander? Jung und Alt in der Geschichte" geht es in diesem Jahr um ein zentrales Thema unserer Gesellschaft: um das Zusammenleben der Generationen. Bundespräsident Horst Köhler weist in seinem Aufruf zum Geschichtswettbewerb 2006/2007 darauf hin, dass wir heute in den meisten Lebensphasen Freiheiten haben, die bis vor wenigen Jahrzehnten kaum denkbar waren: "Kinder und Jugendliche wachsen als gleichberechtigte Familienmitglieder auf, Erwachsene entscheiden, ob und wie sie Familie und Beruf miteinander vereinbaren, die gestiegene Lebenserwartung ermöglicht es vielen Menschen, ihr Alter länger und aktiver zu genießen." Dabei zeige die Beschäftigung mit der Vergangenheit aber ganz deutlich, dass die Generationenbeziehungen immer in Fluss waren. "Werte und Haltungen, Hierarchien und Abhängigkeiten, Hoffnungen und Erwartungen mussten miteinander in Einklang gebracht werden, und das war nicht immer leicht. Doch wenn es gelang, dann ruhte die Gemeinschaft auf sicherem Fundament."
Der Bundespräsident zeigt sich gewiss, dass die Kinder und Jugendlichen, die sich am diesjährigen Geschichtswettbewerb mit eigenen Beiträgen beteiligen, auch in den Archiven, Museen und Verwaltungen Rat und Hilfe für ihre Projekte finden. Einsendeschluss der Einzel- oder Gruppenarbeiten ist der 28. Februar 2007. Der Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten wird von der Körber-Stiftung in Hamburg organisatorisch betreut (siehe Bericht).

Denkbar sind ganz unterschiedliche Fragestellungen, an die man sich herantasten kann. Zum Beispiel: Wie haben sich die Beziehungen der Generationen im Wandel der Zeit verändert? Welche Generationenkonflikte gab es, wodurch entstanden sie und wie wurden sie gelöst? Wie haben die Menschen unterschiedlichen Alters zu verschiedenen Zeiten das Zusammenleben gestaltet und welche Erfahrungen haben sie dabei gemacht?

Zu gewinnen gibt es 600 Geldpreise zwischen 100 und 2.000 Euro sowie Schul- und Tutorenpreise im Gesamtwert von 250.000 Euro. Jeder Wettbewerbsteilnehmer erhält eine persönliche Urkunde. Ob jeder Teilnehmer einzeln oder in einer Gruppe in Begleitung des Lehrers ins Archiv kommt, die Archivare helfen jederzeit beim Heraussuchen der Quellen.

Informationen zum Geschichtswettbewerb sind im Internet unter www.geschichtswettbewerb.de abrufbar.

Historisches Lernen im Archiv

Kenntnisreich und erfahrungsgesättigt, aber auch mit Herzblut haben der Darmstädter Archivpädagoge Thomas Lange und der Darmstädter Staatsarchivar Thomas Lux ein Buch verfasst, das – laut Klappentext – in die didaktische Diskussion um Archivpädagogik einführt, über die vielfältigen Aufgaben und Arbeitsfelder der Archive informiert und praktische Hinweise und Tipps für die schulische Arbeit mit archivalischen Quellen gibt. Insofern handelt es sich einerseits um eine Einführung, die sich vor allem an Geschichtslehrerinnen und -lehrer wendet, deren Kenntnisse über den „Lernort“ Archiv grundlegend verbessert werden sollen. Andererseits handelt es sich bei dem 2004 erschienenen Buch „Historisches Lernen im Archiv“ aber auch um ein engagiertes archivpolitisches Plädoyer für ein modernes Rollenverständnis der Archive.

Mit erkennbarer Sympathie beziehen sich die Autoren in ihrer Argumentation, „dass Archive Werkzeuge der Demokratie sein können“ (34), dabei auf Traditionen der Aufklärung wie auf außerdeutsche Vorbilder: Auf das seit 1794 in Frankreich gesetzlich verankerte Zugangsrecht jeden Bürgers zu den bis dahin geheimen Archiven wird an mehreren Stellen Bezug genommen, ebenso auf den 1950 entstandenen pädagogischen „Unterrichtsdienst“ der französischen Archive. Aber auch die Bedeutung authentischen Materials von Unterdrückten und über Verfolgte der europäischen Diktaturen, das zur Aufarbeitung der privaten wie der allgemeinen Geschichte dieser Länder unentbehrlich ist (z.B. des Memorial-Archivs in Moskau oder der deutschen Stasiunterlagenbehörde), wird betont. Stünden Archivpädagogik und Historische Bildungsarbeit in vielen europäischen Archiven auch noch am Anfang, so zeige sich derzeit gerade in Osteuropa, wie insbesondere Jugendliche mit den Archiven forschend und entdeckend lernen könnten, wodurch Demokratie in ihren Gesellschaften verwirklicht oder verhindert worden sei.

Didaktisch und methodisch ist das Buch von Ansätzen der 1970er und 1980er Jahre geprägt, so unter Bezugnahme auf einen – etwas verkürzt dargelegten – Geschichtsbewusstseins-Begriff nach Jeismann sowie auf Unterrichtstypologisierungen nach von Borries. Das Streben nach Aufklärung und das Anwenden der kritischen Methode zum Erkennen historiographischer Perspektivität wird dabei insbesondere vor dem Hintergrund des alltagsgeschichtlichen Wandels der Geschichtswissenschaft im selben Zeitraum beschrieben. Beides verhalf den Archiven zu neuem Aufwind und neuer Klientel: „Geschichte von unten“ und „Geschichte vor Ort“, wie sie die Geschichtswerkstätten und der Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten bis heute propagieren, machten die „detektivische Spurensuche“ zur geläufigen Metapher im Geschichtsunterricht (40).

Da es das Ziel archivpädagogischer Arbeit sei, Geschichte sinnlich und persönlich erfahrbar zu machen (47), gilt die direkte Arbeit mit Archivalien als die entscheidende Phase beim Archivbesuch. Nach einem Einführungskapitel über den Zweck von Archiven (5-25), einem historischen Rückblick auf die Genese der Archivpädagogik und der Historischen Bildungsarbeit (26-64), stellen die Verfasser in einem umfangreichen, auch für die FAMI- und Archivarsausbildung geeignet heranzuziehenden dritten Kapitel das „Universum“ der Archive und der Akten vor (65-146): Die verschiedenen öffentlichen, öffentlich-rechtlichen und privaten Archivformen, ihre Organisation, Struktur und Funktion werden dabei ebenso dargelegt, wie Archivtechnik, archivarische Tätigkeiten, Aktenkunde und Hilfswissenschaften, deren Kenntnis den Archivbesuch erleichtern. Die Kapitel 4 und 5 sind schließlich der Praxis gewidmet, wobei es zunächst um die Archivpädagogik und die Präsentation im Archiv entstandener Forschungsergebnisse geht (147-193). Den Abschluss des Bandes bilden praktische Tipps zur Vorbereitung auf einen Archivbesuch sowie Literatur- und Lesehinweise zum Vertiefen der bereits mit diesem Band erworbenen archivpädagogischen Kenntnisse (194-222). Das an Informationen und Argumenten dichte Buch ist eng bedruckt, aber gut lesbar. Es wird durch zahlreiche illustrierende und erläuternde Abbildungen sinnvoll ergänzt und dürfte das bislang noch archivferne Lehrpersonal eigentlich zum aktiven Besuch des „Bildungszentrums Archiv“ ermuntern.

Info:
Thomas Lange/Thomas Lux: Historisches Lernen im Archiv
(Reihe: Methoden Historischen Lernens), Wochenschau-Verlag, Schwalbach/Ts. 2004,
222 S., 14,30 Euro, ISBN 3-89974107-2

Das Zeitgeschichtliche Archiv - ein zentrales Pressearchiv sucht weitere Nutzer

Das Zeitgeschichtliche Archiv (ZGA) verfügt mit mehr als neun Millionen Dokumenten über eine Quellensammlung, die im deutschsprachigen Raum zu den bedeutsamsten für die zeithistorische Forschung und tagesaktuelle Publizistik gehört. Derzeit wird es jedoch nicht im entferntesten in einem Umfang genutzt, der diesem Rang entspräche.

Im Kern umfasst das ZGA das frühere zentrale Pressearchiv der DDR, damals mit Standort im Verlag des "Neuen Deutschland". Zwischen 1946 und 1992 sammelten etwa 80 Mitarbeiter unterschiedlichster Qualifikation systematisch Artikel aus deutschsprachigen Periodika, die nach Sachgebieten geordnet sowie formal und inhaltlich erschlossen wurden.

Gegliedert ist die Sammlung nach den Ländern der Erde dieser Jahre. Der unikate Charakter ergibt sich daher vor allem aus der thematischen Bandbreite dieses in mehr als drei Millionen Dokumenten vergegenständlichten Gedächtnis.

Unter den Bedingungen des Marktes geriet auch diese Sammlung in schwere Turbulenzen, die Arbeit an diesem extensiven Archiv konnte nicht weiter geführt werden. Es war dem Eingreifen einer Bürgerinitiative zu verdanken, dass der für die zeithistorische Forschung enorm bedeutsame Quellenbestand vor der Vernichtung bewahrt wurde.

Vor einigen Wochen wurde der 1-Mio-Datensatz angelegt, der nach Quelle, Überschrift, Verfasser und Deskriptoren elektronisch recherchierbar ist. - Erst ein Neuntel?, so könnte man erstaunt einwenden. Berücksichtigt man freilich, unter welchen Bedingungen die Erschließung der Archivbestände vonstatten geht bzw. gehen muss, so wird man eher geneigt sein, das Erreichte als ein kleines Wunder zu bezeichnen.

Die gesamte Arbeit der Archivpflege und der Erschließung ist durch Kolleginnen und Kollegen, geleistet, die hier in arbeitsmarktpolitischen Projekten die Möglichkeit eines arbeitsweltlichen Anschlusses haben, darunter vor allem schwerbehinderte Menschen.

Wir sind derzeit bestrebt, die Kluft zwischen der objektiven Relevanz unserer Archivbestände für Wissenschaft und Publizistik einerseits, dem Schattendasein unseres Archivs andererseits zu schließen. Sollten Sie an dessen Nutzung interessiert sein, so stehen wir gerne für weitere Informationen zur Verfügung. Auskunft über die Möglichkeiten eigenständiger Recherche, Suchmaske und Suchsyntax sowie über unseren Recherchedienst finden Sie auf unseren Web-Seiten, die unter der folgenden URL verfügbar sind: www.zeitgeschichte.de.

Kontakt:
Achim Arzt
Premnitzer Straße 12
12681 Berlin
+49-30-934 95 526

Historische Bildungsarbeit. Kompass für Archive?

Historische Bildungsarbeit und Öffentlichkeitsarbeit werden inzwischen in Archiven aller Sparten als wesentliche Bereiche ihres Aufgaben- und Wirkungsfelds begriffen: Ausstellungen, Internetpräsentationen und Events gehören heute zum Standardrepertoire von Archiven. Aufgrund des herrschenden Kostendrucks werden dennoch zuerst in diesen Arbeitsfeldern die Angebote, damit die öffentliche Präsenz und letztlich in fataler Weise die eigene Bedeutung reduziert. Die Alternative ist eine nutzerorientierte Qualitätsoffensive. Der historischen Bildungsarbeit der Archive kommt in dieser Situation eine Schlüsselfunktion zu.

Im vorliegenden Heft wird die archivische Bildungsarbeit mit den Augen der anderen gesehen. Es werden die Anforderungen an die Archivarinnen und Archivare formuliert, die sich aus der Zusammenarbeit mit denen ergibt, die an historisches Material herangeführt werden wollen.

Info:
Historische Bildungsarbeit. Kompass für Archive? Vorträge des 64. Südwestdeutschen Archivtags am 19. Juni 2003 in Weingarten
Herausgegeben von Clemens Rehm, Stuttgart 2006
94 Seiten mit 9 Abbildungen, kartoniert. € 9,50
ISBN 978-3-17-019483-0

Quelle: Landesarchiv Baden-Württemberg, 18.9.2006

24.9.06

Auf den Spuren einer Familiengeschichte im Stadtarchiv Herten

Das Stadtarchiv Herten lädt zu zwei ganz besonderen Terminen ein: Am Dienstag, 26. September 2006, 11.00 Uhr wird im Glashaus Herten die Ausstellung „Ost-West-Begegnungen in Krieg und Frieden. Auf den Spuren einer Familiengeschichte“ durch Bürgermeister Dr. Uli Paetzel eröffnet. Es ist eine zweisprachige Ausstellung im Deutsch-Polnischen Jahr 2005/2006 zur Historie des Ruhrgebiets und der deutsch-polnischen Begegnungsgeschichte. Entwickelt wurde die Präsentation aus dem Buch „Masurische Gnadenhochzeit“ von Herbert Somplatzki in Zusammenarbeit mit dem Westpreußischen Landesmuseum in Münster. Als Ergänzung dazu lädt das Stadtarchiv Herten am selben Tag von 17.00 bis 18.30 Uhr zur Lesung ins Glashaus Herten ein. Herbert Somplatzki, Autor, P.E.N.-Mitglied, ehemaliger Bergmann und gebürtiger Masure erzählt von den Menschen, die aus dem Osten Deutschlands, dem fernen Masuren in Ostpreußen kamen und in den Dörfern und Städten des Ruhrgebiets eine neue Heimat fanden. In Herten, Westerholt und anderswo. Er berichtet vom Leben der so genannten einfachen Leute, von ihren Schicksalen, von Freud und Leid, von Flucht und Vertreibung, vom Neubeginn im Revier, aber auch von den großartigen Landschaften Masurens. Er erzählt von Masuren, dem wunderschönen Land der tausend Seen und dunklen Wäldern, von Sehnsucht nach Heimat, Heimatverlust und dem Angekommensein.

Abb.: Ausstellung: Ost-West-Begegnungen (© Stadtarchiv Herten)

Die Ausstellung, die bereits mit großem Erfolg wechselweise in Deutschland und in Polen gezeigt worden ist, zuletzt im Muzeum Regionalne Krokowa (Polen), erzählt anhand einer Familiengeschichte Geschichte in Geschichten. Geschichten, die nicht nur von Menschen und ihren Schicksalen handeln, sondern auch einen Abschnitt europäischer Geschichte exemplarisch widerspiegeln. Vor dem Hintergrund des oft schwierigen Verhältnisses zwischen Deutschen und Polen als Nachbarn versucht die Ausstellung einen Brückenschlag zwischen Völkern und Ländern auf dem Weg in ein neues friedliches Europa, das sich des gemeinsamen kulturellen Erbes erinnert und dieses bewahrt. Dem Stadtarchiv Herten ist es als „Gedächtnis der Stadt“ ein Anliegen, mit dieser Ausstellung auch ein Stück Einwanderungsgeschichte nach Herten, aus Masuren und anderswo, anschaulich zu machen.

Die Ausstellung ist vom 26. September bis zum 25. Oktober im Glashaus Herten, Hermannstr. 16, zu sehen. Bei Bedarf sind Führungen möglich.

Kontakt:
Stadtarchiv Herten
Gartenstr. 40 (im Städt. Gymnasium)
45699 Herten
Telefon: 02366-303-233
Telefax: 02366-303-630
stadtarchiv@herten.de

Quelle: Presseinformationen Stadt Herten, 22.9.2006

Widerstände gegen geplanten Handschriftenverkauf Badens

Bereits vor einem Jahrzehnt sorgte das Haus Baden, das bis 1918 die Staatsoberhäupter der Markgrafschaft Baden, des Kurfürstentums Baden sowie die Großherzöge von Baden stellte, für Aufsehen und Erregung, als es aus Finanznot das Inventar im Schloss Baden-Baden verkaufte. Nun hofft Bernhard, der Erbprinz des Hauses Baden, mit dem Verkauf wertvoller Handschriften aus der Sammlung der Markgrafen von Baden, erneut auf hohe Einnahmen. Mit diesen Mitteln, man rechnet beim Verkauf der sich in der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe befindlichen Handschriften mit einem Erlös von 70 Millionen Euro, soll unter anderem die Sanierung der Schlossanlage Salem, Familiensitz des Hauses Baden am Bodensee, finanziert werden.
Abb.: Stundenbuch des Markgrafen Christoph I. von Baden. Paris, um 1490. Badische Landesbibliothek, Cod. Durlach 1, Blatt 95v-96r, Faksimile und Kommentar: Stundenbuch des Markgrafen Christoph I. von Baden, © Badische Landesbibliothek Karlsruhe.

Das Land Baden-Württemberg hat sich mit dem badischen Markgrafenhaus bereits auf den Verkauf der wertvollen Handschriftensammlung, die bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht, auf dem internationalen Kunstmarkt verständigt. Dabei ist der Besitz der Handschriften sowie weiterer Kunstwerke und Kulturgüter zwischen dem Haus Baden und der Landesregierung seit Jahrzehnten umstritten. Hintergrund ist die Frage, ob diese Kulturgüter, deren Gesamtwert sich auf 250 bis 300 Millionen Euro belaufen soll, mit der Auflösung des Großherzogtums Baden 1918/19 an den Staat fielen oder in der Familie verblieben. Eine juristische Auseinandersetzung wurde bislang vermieden. Die jetzt getroffene Vereinbarung über den Verlauf der Handschriften sieht vor, dass das Land Baden-Württemberg der Adelsfamilie gestattet, 70 Millionen Euro aus dem Verkauf der Handschriften aus der Landesbibliothek Karlsruhe zu schlagen. Im Gegenzug verzichtet Haus Baden ein für alle Mal auf alle Ansprüche auf den großen Rest des Kunst- und Kulturbesitzes zugunsten des Landes.

Der Direktor der Landesbibliothek Karlsruhe, Dr. Peter Michael Ehrle, befürchtet mit dem geplanten Verkauf der Handschriften und Kunstwerke "von europäischem Rang" den Verlust "unersetzlichen Kulturguts". Es bedeute für die Landesbibliothek das Ende als Forschungsbibliothek, wenn man dem Adelshaus nun rund 3.500 ihrer rund 4.200 Handschriften überlassen müsse. Dabei wären die Handschriften, so Ehrle gegenüber der Stuttgarter Zeitung, "um ein Haar ins Weltkulturerbe aufgenommen worden". Nach den Berechnungen der Landesbibliothek müsste die gesamte alte Sammlung verkauft werden, um auf den gewünschten Erlös von 70 Millionen Euro zu kommen. Die Einigung zwischen der Landesregierung und dem badischen Adelshaus, wertvolle Kunstgegenstände dem Markgrafen zu überlassen, ist nicht nur bei der Badischen Landesbibliothek und bei der Badischen Bibliotheksgesellschaft, sondern bisher auch bei der SPD und bei Verbänden auf deutliche Kritik gestoßen...

Link: Presseberichte zum Ausverkauf badischer Handschriften

Kontakt:
Badische Landesbibliothek
Erbprinzenstraße 15
76133 Karlsruhe
(Postfach 1429, 76003 Karlsruhe)
(0721) 175 - 0 (Zentrale), - 22 22 (Informationszentrum)
(0721) 175 - 23 33
informationszentrum@blb-karlsruhe.de

Quelle: Reiner Ruf, Stuttgarter Zeitung, 21.9.2006; Heilbronner Stimme, 22.9.2006; FAZ, 21.9.2006, 38, und 22.9.2006, 33.

Das Archiv in der Öffentlichkeit – die Öffentlichkeit im Archiv

Der 76. Deutsche Archivtag in Essen (26.-29. September 2006) fragt nach der Funktion und der Wahrnehmung der Archive in der Öffentlichkeit, wie der VdA in seiner Pressemitteilung zum Archivtag informiert:

Archiv und Öffentlichkeit – auf den ersten Blick erscheint das wie ein Gegensatzpaar. Denn nur den Wenigsten ist bewusst, dass der öffentliche Zugang zu Informationen gesetzlicher Auftrag und zentrale Aufgabe der Archive ist. Jedermann zugängliche Archive sind die Voraussetzung für historische Forschungen, in gleicher Weise aber auch für die Klärung von Rechtsfragen wie z.B. bei der Entschädigung von Zwangsarbeitern. Archive stehen nicht nur der professionellen Forschung offen, sondern allen Bürgerinnen und Bürgern, Studierenden und Schülern, Familienforschern und Freizeithistorikern jedweder Art.

In den letzten Jahren sind die Archive verstärkt in die Öffentlichkeit getreten. Um sich als nutzbare Einrichtung des kulturellen Lebens zu positionieren, um auf sich aufmerksam zu machen, neue „Kunden“, Förderer und Fürsprecher zu gewinnen, nicht zuletzt auch um ihre Träger von der Bedeutung archivischer Arbeit zu überzeugen, haben die Archive seit den neunziger Jahren ihre Aktivitäten in der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit verstärkt.
Dabei wurden und werden neue Formen der Präsentation – sowohl des Archivguts als auch des Archivs selbst als Institution – erprobt. Szenische Lesungen aus archivalischen Quellen beispielsweise wurden vielerorts eingesetzt. Die Beteiligung an Langen Nächten und an Kulturevents hat die Kreativität gefördert, zugleich aber auch die Frage aufgeworfen, wo die Grenzen liegen.

Öffentlichkeit bedeutet im Archivwesen aber sehr viel mehr als Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit, denn die zentrale Funktion der Archive besteht eben darin, Unterlagen Öffentlichkeit zu verleihen. Im Archiv werden die Unterlagen einer staatlichen Verwaltung, einer Kommune, eines Wirtschaftsunternehmens oder kirchlicher Einrichtungen allgemein nutzbare historische Quellen.

Durch das Internet hat diese Funktion in den letzten Jahren ganz neue Dimensionen gewonnen. Informationen zu den Beständen der Archive, zum Teil auch die verwahrten Unterlagen selbst sind weltweit zugänglich, per Mausklick, sofort und unbürokratisch. Grenzen werden der Öffnung quasi nur noch rechtlich gesetzt. Welt- und europaweit stehen groß angelegte Digitalisierungsvorhaben von Archivgut an.

Vor dem Hintergrund diesen Entwicklungen setzt sich der 76. Deutsche Archivtag mit dem Archiv in der Öffentlichkeit auseinander. Letzten Endes geht es dabei um die Frage, welche Funktion die Archive heute in der Öffentlichkeit erfüllen sollen und wollen. In Verbindung damit soll aber auch darüber nachgedacht werden, wie die Archive in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden und wie sie die Öffentlichkeit besser erreichen können. „Die Archive mit ihrer wichtigen Gedächtnisfunktion für die Gesellschaft müssen sich künftig aktiver positionieren“, so der Verbandsvorsitzende Robert Kretzschmar, „dafür müssen wir Strategien entwickeln.“

Eröffnungsvortrag und Abschlusspodium

Seinen Eröffnungsvortrag am 26. September wird Prof. Dr. Ulrich Raulff vom Literaturarchiv in Marbach – ausgehend von seiner persönlichen Biografie – unter das Thema stellen: "Archiv und Öffentlichkeit – aus der Perspektive der Wissenschaft, des Feuilletons und eine Literaturarchivs". Den Abschluss bildet eine international besetzte Podiumsdiskussion „Das Archiv in der Öffentlichkeit – Die Öffentlichkeit im Archiv. Erfahrungen und Perspektiven.“

Themenschwerpunkte

  • Neue Herausforderungen an die Archive in ihrem Umfeld
  • Erwartungen der Politik an die Archive
  • Archive und ihre Träger
  • Sicherung und Zugänglichmachung von Unterlagen für die Gesellschaft
  • Das Netz als Öffentlichkeit
  • Traditionelle Öffentlichkeitsarbeit und modernes Marketing
  • Thema Open access: Freier Zugang zu Kulturgut in Archiv, Bibliothek und Museen

Zur Tagung

Der VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare erwartet 600 Teilnehmer aus 20 Ländern. Mit dem Archivtag ist die „Archivistica“ verbunden, die in Europa größte Fachmesse zum Archivwesen. Dort werden 44 Aussteller ihre Produkte und Innovationen präsentieren.

Zum VdA

Der VdA wurde 1946 gegründet. Sein Zweck ist die Förderung und die Vertretung der Interessen des Archivwesens, insbesondere durch wissenschaftliche Forschung, Erfahrungsaustausch und fachliche Weiterbildung. Der VdA veranstaltet jährlich den Deutschen Archivtag und gibt Veröffentlichungen heraus. Seine Vereinsmitteilungen erscheinen in der Zeitschrift »Der Archivar. Mitteilungsblatt für deutsches Archivwesen«. Um die Wahrnehmung der Archive in der Öffentlichkeit zu verbessern, hat der Verband 2001, 2004 und 2006 den „Tag der Archive“ initiiert.
Weitere Informationen und Bildmaterial zum Archivtag (Referenten, Vortragsthemen, Abstracts) unter http://www.vda.archiv.net/ bzw. http://www.archivtag.de/ oder bei der Geschäftsstelle des VdA:

VdA - Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V.
Geschäftsstelle
Wörthstraße 3
36037 Fulda
Tel.: +49 661 / 29 109 72
Fax: +49 661 / 29 109 74
info@vda.archiv.net

Tagungsbüro beim 76. Deutschen Archivtag (26.- 28. September 2006):
Congress-Center Essen (CC-West),
Norbertstraße
45131 Essen
Tel. +49 201 / 8039302
Fax. +49 201 / 8039303

Quelle: VdA, Pressemitteilung, 18.9.2006