7.11.06

Der Pionier der Geschichtsschreibung der Parapsychologie

Der Beginn der Forschung zur Geschichte des „wissenschaftlichen Okkultismus“ bzw. der Parapsychologie in Deutschland lässt sich in die erste Hälfte der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts datieren. Vor nunmehr dreißig Jahren (1976) wurde am Institut für Medizingeschichte der FU Berlin eine 524-seitige Dissertation mit dem etwas ungelenken Titel "Die Geschichte der Berliner ‚Gesellschaft für Experimental-Psychologie’ mit besonderer Berücksichtigung ihrer Ausgangssituation und des Wirkens von Max Dessoir" vorgelegt. Der Autor Adolf Kurzweg (geb. 1925), eigentlich Theologe und Arzt, betrat damals absolutes Neuland und gilt mit seiner Arbeit heute als Pionier der Geschichtsschreibung der Parapsychologie.

Angeregt durch die Entdeckung von Nachlassmaterial des als Kritiker der Parapsychologie, vor allem aber als Sexualmediziner bekannten Berliner Arztes Albert Moll, arbeitete Kurzweg rund sieben Jahre in akribischer und engagierter Weise an seiner organisationsgeschichtlichen Studie. Bei seinen Forschungen sah er sich enormen Schwierigkeiten gegenüber, insbesondere bei der Beschaffung historischer Quellen. So war es ihm damals unmöglich, „an ungedruckte Zeugnisse aus der Feder führender Vereinsmitglieder heranzukommen“. Die ungenügende Quellenlage führte abschließend zu einer gewissen Unzufriedenheit beim Autor selbst. Dennoch beurteilten die Gutachter Kurzwegs Arbeit in höchstem Maße positiv und sahen in ihr einen bedeutenden Beitrag zu einem noch unerforschten Gebiet der Wissenschaftsgeschichte.

Im Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V. (IGPP) haben Kurzwegs Recherchen zunächst keinen Niederschlag oder Widerhall gefunden – möglicherweise ein Zeichen dafür, dass in diesen Jahren historische Zugänge so gut wie keine Bedeutung im Profil der Institutsarbeit hatten. Doch auch generell wurde die Arbeit innerhalb der Parapsychologie nur wenig rezipiert. Erst die in den neunziger Jahren einsetzende Historisierung des Fachs bescherte Kurzwegs Pionierstudie größere Aufmerksamkeit. Dreißig Jahre nach ihrem Erscheinen soll sie an dieser Stelle ausdrücklich gewürdigt werden.

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Quelle: Uwe Schellinger (IGPP), Schaufenster ins Archiv 11-06, 1.11.2006