8.11.06

Erste Sitzung der Mülheimer Stadtvertretung nach dem Zweiten Weltkrieg

Historische Daten, die eine Rolle in der Mülheimer Stadtgeschichte spielen, beleuchtet das Stadtarchiv Mülheim in der Serie "Mülheimer Zeitzeichen". Die einzelnen Beiträge erscheinen in unregelmäßiger Folge jeweils unmittelbar vor dem jeweiligen Gedenk- beziehungsweise Jubiläumstag und sollen den Leser einstimmen auf das anstehende 200jährige Stadtjubiläum im Jahre 2008. Das aktuelle Mülheimer Zeitzeichen des Stadtarchivs befasst sich mit der ersten Sitzung einer frei gewählten Stadtvertretung nach dem Zweiten Weltkrieg.

Am 4. November 1946 nachmittags um 16.00 Uhr trat in der festlich geschmückten Aula des Staatlichen Gymnasiums an der Von-Bock-Strasse die erste, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges frei gewählte Stadtvertretung zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Bei den Kommunalwahlen im Oktober desselben Jahres waren 39 Männer und Frauen gewählt worden, um von nun an als Vertreter der Bürgerschaft die Geschicke Mülheims zu lenken [s. Zeitzeichen 13. Oktober 1946]. Als Sitzungsort musste die Aula dienen, da es im Rathaus nach wie vor wegen der Kriegsschäden keinen geeigneten Raum gab, der für eine solche Sitzung groß genug gewesen wäre. Neben den gewählten Stadtverordneten, den leitenden Beamten und Beigeordneten der Stadtverwaltung, hochrangigen Vertretern der britischen Militärbehörde in Mülheim und Vertretern der Mülheimer Dienststelle des Schwedischen Roten Kreuzes waren zahlreiche Bürgerinnen und Bürger bei dieser ersten Sitzung anwesend. Die historische Bedeutung dieser Sitzung wurde durch Blumenschmuck und ein musikalisches Begleitprogramm angemessen unterstrichen. Im Mittelpunkt der Tagesordnung stand die Amtseinführung und Vereidigung der Stadtverordneten sowie die Wahl des Oberbürgermeisters und seines Vertreters. Bis zu diesem Tag hatte Wilhelm Diederichs (CDU) die Amtsgeschäfte geführt, nachdem er im Mai 1946 von der britischen Militärregierung als Oberbürgermeister eingesetzt worden war. Nun wurde Diederichs durch den Stadtverordneten Max Kölges (ebenfalls CDU) namens der Fraktionen von CDU und SPD als Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters vorgeschlagen. Die Wahl erfolgte ohne Gegenkandidaten durch Zuruf bei einer Gegenstimme der KPD und einer Enthaltung (Diederichs), so dass Wilhelm Diederichs der erste, frei gewählte Oberbürgermeister Mülheims nach dem Zweiten Weltkrieg wurde. In das Amt des Bürgermeisters wurde Heinrich Gröschner (SPD) gewählt. In mehr oder weniger programmatischen Reden nutzten Oberst Kennedy im Namen der britischen Militärregierung, Oberbürgermeister Diederichs und verschiedene Stadtverordnete die Gelegenheit, die zukünftigen Aufgaben und demokratischen Verpflichtungen der neu gewählten Stadtvertretung zu beschreiben. Dabei genossen die unmittelbaren Herausforderungen, die Nöte, Sorgen und Probleme des Alltags und des Wiederaufbaus ganz klare Priorität. Dennoch stand an diesem Tag nicht nur die Bewältigung existenzieller und vielfach riesiger Aufgaben im Mittelpunkt. Von nun an bestimmte ein demokratisch und frei gewähltes Gremium kommunaler Selbstverwaltung die Geschicke der Stadt in wesentlichen Fragen mit. Mit der ersten Sitzung der frei gewählten Stadtvertretung hatte auch in Mülheim an der Ruhr ein demokratischer Aufbruch begonnen.

Ergänzend dazu findet zur Zeit im Foyer des Rathauses eine Ausstellung statt, die in Berichten und Bildern den Beginn der Demokratie in Mülheim vor sechzig Jahren zeigt.

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Quelle: Stadtarchiv Mülheim, Mülheimer Zeitzeichen; Andreas Heinrich, WAZ, 5.11.2006