3.12.06

Bundestag verlängert Stasi-Überprüfungen

Der Bundestag hat grünes Licht für weitere Stasi-Überprüfungen gegeben. In den nächsten fünf Jahren sollen aber nur noch Inhaber von Spitzenämtern in Politik und Verwaltung gecheckt werden können - die bisherige Regelanfrage für Mitarbeiter im öffentlichen Dienst wird nicht verlängert. Das Parlament beschloss am Donnerstag mit breiter Mehrheit im zweiten Anlauf die Novelle des Stasi-Unterlagengesetzes. Nur die Linkspartei stimmte dagegen. Unterdessen löste die Beschäftigung zahlreicher früherer Mitarbeiter des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in der Stasi- Unterlagenbehörde fast 17 Jahre nach Auflösung des DDR- Geheimdienstes Kritik und Bestürzung aus. Die bisherige Regelanfrage bei der Stasi-Unterlagenbehörde läuft zum 21. Dezember 2006 nach 15 Jahren aus. Wegen Streitigkeiten in der Koalition und Protesten von Opferverbänden war die Verabschiedung des ursprünglichen Entwurfes von SPD, Union und Grünen Anfang November 2006 zunächst nicht zu Stande gekommen. Opfer hatten einen Aufarbeitungs-Schlussstrich befürchtet. Als Kompromiss wurde nun die ursprüngliche Absicht gestrichen, nur bei einem konkreten Verdacht zu überprüfen. Dafür erhalten Wissenschaftler einen deutlich erweiterten Zugang zu den Unterlagen der Behörde. Ohne Nachfolgeregelung wären überhaupt keine Überprüfungen mehr möglich gewesen. Überprüft werden können Bundes- und Landesminister, Abgeordnete, hohe Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst, Richter und höhere Sportfunktionäre.

Die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, sprach von einer «gelungenen Novellierung». Künftig könnten nicht nur Stasi-Strukturen, sondern der Machtmechanismus insgesamt erforscht werden. Das Gesetz sei nicht mit heißer Nadel gestrickt. Unions-Fraktionsvize Arnold Vaatz (CDU) sagte, das Gesetz sei «ein klares Signal», dass die Opfer der DDR nicht vergessen werden. Die kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Lukrezia Jochimsen, betonte hingegen: «15 Jahre Überprüfungen sind genug.» Selbst schwere Körperverletzung oder Vergewaltigung seien nach 10 Jahren verjährt.

Zur Beschäftigung früherer Stasi-Bediensteter in ihrer Behörde wies Birthler Vorwürfe zurück, das Ausmaß verschwiegen zu haben. Von 52 früheren Stasi-Mitarbeitern sind nach Birthlers Angaben 11 frühere hauptamtliche MfS-Mitarbeiter sowie 41 Personen aus dem Wachdienst der Stasi. Zwei der Hauptamtlichen seien in den Außenstellen der Behörde in Schwerin und Halle tätig. Die Stasi-Leute seien nach der Wende wegen ihres Wissens für die Aufarbeitung der Stasi-Akten für unverzichtbar gehalten worden. Aus arbeitsrechtlichen Gründen seien später Kündigungen nicht möglich gewesen. Von den Mitarbeitern arbeiten unter anderem einer als Sachgebietsleiter und einer an der Erschließung von Stasi-Karteien sowie fünf im Archiv.

Im Archiv der Berliner Zentralstelle und in den 14 Archiven der Außenstellen der Bundesbeauftragten wird die in den vier Jahrzehnten der Existenz des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) entstandene Hinterlassenschaft des ehemaligen Geheimdienstes der DDR verwahrt. Die Herrschaftsmethoden und das Herrschaftswissen der ehemaligen SED als kommunistischer Staatspartei der DDR und ihrer Geheimpolizei werden dort dokumentiert. Mit insgesamt 180 km an Unterlagen ist es eines der größten Archive Deutschlands. Neben dem schriftlichen Erbe umfasst die MfS-Überlieferung auch zahlreiche audiovisuelle Datenträger, wie Fotos, Dias, Videos, Kinofilme und Tonträger. Das Schriftgut besteht einerseits aus bereits zu Zeiten des Staatssicherheitsdienstes archivierten Akten andererseits aus dem Material, mit dem in den Diensteinheiten noch bis zur friedlichen Revolution 1989/90 gearbeitet wurde. Die sichere Aufbewahrung, Ordnung, Erschließung und Bereitstellung aller Unterlagen obliegt der Abteilung Archivbestände der Behörde der Bundesbeauftragten und den Sachgebieten Archivwesen der Außenstellen. Der Schwerpunkt der Darstellung im Internet liegt gegenwärtig noch auf Informationen über die Aufgaben und die Ergebnisse der Tätigkeit im Archiv der Zentralstelle, in dem etwa die Hälfte aller Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes verwahrt wird. Zug um Zug werden weitere Hinweise zur Überlieferungslage und Nutzung der Unterlagen in der Zentralstelle in den folgenden Seiten aufgenommen. Entsprechende Angaben zu den Außenstellen werden ergänzt.

Birthler sagte, nach der Wende seien aus dem damaligen Geschäftsbereich des Innenministeriums «große Mengen» ehemaliger Stasi-Mitarbeiter übernommen worden, so rund 1500 in Polizeibehörden, 300 beim Bundesgrenzschutz sowie in den öffentlichen Diensten der neuen Länder bis zu 200. Zugleich sagte sie: «Für die Zahlen kann ich mich aber nicht verbürgen.» Die Unions-Bundestagsfraktion äußerte scharfe Kritik. Dass ausgerechnet dort, wo Stasi-Verstrickungen aufgedeckt werden sollen, noch frühere Stasi-Mitarbeiter beschäftigt seien, erwecke den Eindruck, als würden Brandstifter zum Feuerlöschen eingesetzt, sagte der kultur- und medienpolitische Sprecher, Wolfgang Börnsen. Arbeitsweise und -auffassung der Behörde müssten jetzt untersucht werden. Auch der Vorsitzende des Kulturausschusses im Bundestag, Hans-Joachim Otto (FDP), forderte, dies nicht hinzunehmen. Der erste Chef der Stasi-Unterlagenbehörde, Joachim Gauck, verteidigte die Beschäftigung der früheren Stasi-Leute. «Wir brauchten solche Insider für die Aufklärungsarbeit.» Es seien Mitarbeiter gewesen, «die den Bürgerrechtlern geholfen haben und von ihrer ehemaligen Umwelt gehasst wurden».

Kontakt:
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Quelle: Businessportal24, Pressemitteilung, 1.12.2006; Die Archive der BStU.