Neue Nachlässe und Archive im Schweizerischen Literaturarchiv
Im vergangenen Jahr konnte das Schweizerische Literaturarchiv SLA der Schweizerischen Nationalbibliothek NB ungewöhnlich viele Nachlässe und Archive erwerben. Zusätzlich zum Archiv von Peter Bichsel und dem Nachlass von Mani Matter gelangten die Archive und Nachlässe von Anne-Lise Grobéty, Felix Philipp Ingold, Ingeborg Kaiser, Kurt Marti, Klaus Merz, Meret Oppenheim, Erica Pedretti, Werner Weber und Urs Widmer in die Bestände des SLA. Die Dokumente werden nun im SLA erschlossen und stehen anschliessend zu Forschungszwecken zur Verfügung. Die Mehrheit der Neuerwerbungen des letzten Jahres stammt von zeitgenössischen Autorinnen und Autoren, die mitten in ihrem Schaffen stehen. Ausnahmen sind die Nachlässe Mani Matter, Meret Oppenheim und Werner Weber. Mit letzterem gelangt der Nachlass eines der einflussreichsten Schweizer Literaturkritiker und -förderer des 20. Jahrhunderts ins SLA.
Anne-Lise Grobéty, 1949 in La-Chaux-de-Fonds geboren, schrieb ihren ersten Roman ,Pour mourir en février" mit 18 Jahren und erhielt dafür den ,Prix Georges-Nicole". Der Roman stellt die bürgerliche Ordnung radikal in Frage. Seit ihrem Erstlingswerk gehört Grobéty zu den bedeutendsten Autoren der Romandie. Sie publiziert in regelmäßigen Abständen viel beachtete Romane und Erzählbände; ihr neuestes Werk ,La Corde de Mi", ein großer Roman, der von der Suche nach dem Ursprung des Erzählens handelt, erschien im November 2006. Im Jahr 2000 erhielt sie den Prix Ramuz für ihr Gesamtwerk.
Felix Philipp Ingold wurde 1942 in Basel geboren. Er ist Schriftsteller, Übersetzer, und Kritiker. Bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2005 war er Professor für russische Kultur- und Sozialgeschichte an der Hochschule St. Gallen. Sein Werk umfasst poetologische Essays (etwa ,Literatur und Aviatik", ,Der Autor am Werk"), erzählerische Prosa (,Haupts Werk", ,Leben Lamberts"), Hörspiele und Gedichte (,Wortnahme"), Ingold wurde wiederholt mit Preisen ausgezeichnet, darunter der Grosse Literaturpreis des Kantons Bern 1998 und der Manuskripte-Preis 2001. Das SLA hat das literarische Archiv als Geschenk vom Autor erhalten und eine Sammlung von Kunstwerken und Künstlerkorrespondenzen erworben.
Ingeborg Kaiser wurde 1930 in Neuburg/Donau (D) geboren; lebt in Basel und schreibt Lyrik, Prosa und Theaterstücke. Sie ist Hausautorin am Stadttheater Chur. Ihre jüngste Publikation ist ,Roza und die Wölfe. Biografische Recherchen zu Rosa Luxemburg" (2002).
Kurt Marti, der 1921 in Bern geborene Pfarrer, gehört zu den einflussreichsten deutschsprachigen Gegenwartsautoren. Sein umfangreiches literarisches Werk umfasst neben philosophisch-theologischen Essays auch seine sprachexperimentellen, subversiven Lyrikbände (etwa ,republikanische gedichte" von 1959 oder ,gedichte am rand" von 1963), die ihm den Ruf des "engagierten" Dichters einbrachten, sowie zahlreiche Prosatexte (z.B. ,Dorfgeschichten" 1960, ,Bürgerliche Geschichten" 1981). Marti erneuerte die religiöse Lyrik und verschaffte ihr ein breiteres Publikum, indem er sprachspielerisch in mundartlichen Gedichten Aspekte christlichen Lebens in der modernen schweizerischen Gesellschaft aufgriff.
Klaus Merz, 1945 in Aarau geboren, lebt heute als freischaffender Autor in Unterkulm. Am Beginn seiner literarischen Karriere stehen lyrische Publikationen wie "Mit gesammelter Blindheit" (1967) oder "Vier Vorwände ergeben kein Haus" (1972). Mit seinem Roman "Jakob schläft" gelang ihm der internationale Durchbruch, der Roman ist in der Zwischenzeit in verschiedene Sprachen übersetzt worden. Ein großes Gewicht legte Merz auf die Zusammenarbeit mit bildenden Künstlern. Für sein literarisches Schaffen ist Klaus Merz mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden.
Meret Oppenheim (1913-1985) gilt als eine der wichtigsten Vertreterinnen des magischen Surrealismus. Schlagartig berühmt wurde sie 1936 mit ihrem Objekt "Frühstück in Pelz", einer pelzbezogenen Teetasse. Neben ihrem bildnerischen Schaffen war sie auch literarisch tätig. Ihre Traumschriften sind als Preziosen publiziert. Ihre Werkverzeichnisse sind eigenständige Kunstwerke. Einen Teil des literarischen Nachlasses hat die mit Meret Oppenheim befreundete Familie Bürgi, dem SLA als Dauerleihgabe übergeben.
Erica Pedretti, 1930 in Sternberg, Nordmähren, in der heutigen Tschechischen Republik geboren, kam 1945 als Flüchtling in die Schweiz. Sie ist sowohl Schriftstellerin als auch bildende Künstlerin. Die autobiographische Doppelperspektive auf die fremde Heimat zieht sich vom Frühwerk ,Harmloses, bitte" (1970) bis zu ihrem als Trilogie angelegten Spätwerk ,Engste Heimat" (1995) und ,Das Kuckuckskind oder Was ich ihr unbedingt noch sagen wollte" (1998). Ihre hochreflektierte Prosa weist sie seit über dreissig Jahren als Gegenwartsautorin von internationalem Rang aus. Erica Pedretti hat zahlreiche Preise erhalten, u.a. den Preis der Schweizerischen Schiller Stiftung (1975), den Ingeborg Bachmann-Preis (1984), den Mitteleuropäischen Vilencia Preis 1999. Neben ihrem literarischen Archiv hat das Schweizerische Literaturarchiv exemplarische künstlerische Arbeiten erworben.
Werner Weber (1919 - 2005) war von 1946 bis 1973 bei der Neuen Zürcher Zeitung Redaktor im Ressort Literatur, Kunst, Wissenschaft, das er von 1951 an als Ressortchef leitete. Während seiner Zeit bei der NZZ erwarb er sich den Ruf eines einfühlsamen Kritikers und verständnisvollen Förderers von Autorinnen und Autoren. Im Feuilleton der NZZ veröffentlichte er früh schon Texte zuerst von Dürrenmatt und Frisch, später von Otto F. Walter, Hugo Loetscher, Adolf Muschg und Hermann Burger. 1973 wurde Werner Weber auf den eigens für ihn geschaffenen Lehrstuhl für Literaturkritik der Universität Zürich berufen, den er bis 1987 innehatte. Das SLA hat seinen Briefnachlass als Geschenk erhalten.
Urs Widmer, geboren 1937 in Basel, arbeitete nach seinem Studium als Lektor bei den Verlagen Walter und Suhrkamp. Er hat ein umfangreiches erzählerisches und dramatisches Werk verfasst. Seine Erzählung ,Der blaue Syphon" und der Roman ,Der Geliebte der Mutter" gehören zu den erfolgreichsten Texten der neueren deutschsprachigen Literatur, sein Theaterstück ,Top Dogs" wurde und wird weltweit gespielt. Er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem Friedrich Hölderlin-Preis 2007 der Stadt Bad Homburg.
Kontakt:
Schweizerisches Literaturarchiv
Dr. Irmgard Wirtz
Hallwylstrasse 15
CH-3003 Bern
Tel.: +41 (0) 31 / 322 - 9258 oder - 8972
Fax: +41 (0) 31 / 322 - 8463
arch.lit@nb.admin.ch
Irmgard.Wirtz@nb.admin.ch
Quelle: Pressemitteilung Bundesverwaltung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 30.4.2007
Anne-Lise Grobéty, 1949 in La-Chaux-de-Fonds geboren, schrieb ihren ersten Roman ,Pour mourir en février" mit 18 Jahren und erhielt dafür den ,Prix Georges-Nicole". Der Roman stellt die bürgerliche Ordnung radikal in Frage. Seit ihrem Erstlingswerk gehört Grobéty zu den bedeutendsten Autoren der Romandie. Sie publiziert in regelmäßigen Abständen viel beachtete Romane und Erzählbände; ihr neuestes Werk ,La Corde de Mi", ein großer Roman, der von der Suche nach dem Ursprung des Erzählens handelt, erschien im November 2006. Im Jahr 2000 erhielt sie den Prix Ramuz für ihr Gesamtwerk.
Felix Philipp Ingold wurde 1942 in Basel geboren. Er ist Schriftsteller, Übersetzer, und Kritiker. Bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2005 war er Professor für russische Kultur- und Sozialgeschichte an der Hochschule St. Gallen. Sein Werk umfasst poetologische Essays (etwa ,Literatur und Aviatik", ,Der Autor am Werk"), erzählerische Prosa (,Haupts Werk", ,Leben Lamberts"), Hörspiele und Gedichte (,Wortnahme"), Ingold wurde wiederholt mit Preisen ausgezeichnet, darunter der Grosse Literaturpreis des Kantons Bern 1998 und der Manuskripte-Preis 2001. Das SLA hat das literarische Archiv als Geschenk vom Autor erhalten und eine Sammlung von Kunstwerken und Künstlerkorrespondenzen erworben.
Ingeborg Kaiser wurde 1930 in Neuburg/Donau (D) geboren; lebt in Basel und schreibt Lyrik, Prosa und Theaterstücke. Sie ist Hausautorin am Stadttheater Chur. Ihre jüngste Publikation ist ,Roza und die Wölfe. Biografische Recherchen zu Rosa Luxemburg" (2002).
Kurt Marti, der 1921 in Bern geborene Pfarrer, gehört zu den einflussreichsten deutschsprachigen Gegenwartsautoren. Sein umfangreiches literarisches Werk umfasst neben philosophisch-theologischen Essays auch seine sprachexperimentellen, subversiven Lyrikbände (etwa ,republikanische gedichte" von 1959 oder ,gedichte am rand" von 1963), die ihm den Ruf des "engagierten" Dichters einbrachten, sowie zahlreiche Prosatexte (z.B. ,Dorfgeschichten" 1960, ,Bürgerliche Geschichten" 1981). Marti erneuerte die religiöse Lyrik und verschaffte ihr ein breiteres Publikum, indem er sprachspielerisch in mundartlichen Gedichten Aspekte christlichen Lebens in der modernen schweizerischen Gesellschaft aufgriff.
Klaus Merz, 1945 in Aarau geboren, lebt heute als freischaffender Autor in Unterkulm. Am Beginn seiner literarischen Karriere stehen lyrische Publikationen wie "Mit gesammelter Blindheit" (1967) oder "Vier Vorwände ergeben kein Haus" (1972). Mit seinem Roman "Jakob schläft" gelang ihm der internationale Durchbruch, der Roman ist in der Zwischenzeit in verschiedene Sprachen übersetzt worden. Ein großes Gewicht legte Merz auf die Zusammenarbeit mit bildenden Künstlern. Für sein literarisches Schaffen ist Klaus Merz mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden.
Meret Oppenheim (1913-1985) gilt als eine der wichtigsten Vertreterinnen des magischen Surrealismus. Schlagartig berühmt wurde sie 1936 mit ihrem Objekt "Frühstück in Pelz", einer pelzbezogenen Teetasse. Neben ihrem bildnerischen Schaffen war sie auch literarisch tätig. Ihre Traumschriften sind als Preziosen publiziert. Ihre Werkverzeichnisse sind eigenständige Kunstwerke. Einen Teil des literarischen Nachlasses hat die mit Meret Oppenheim befreundete Familie Bürgi, dem SLA als Dauerleihgabe übergeben.
Erica Pedretti, 1930 in Sternberg, Nordmähren, in der heutigen Tschechischen Republik geboren, kam 1945 als Flüchtling in die Schweiz. Sie ist sowohl Schriftstellerin als auch bildende Künstlerin. Die autobiographische Doppelperspektive auf die fremde Heimat zieht sich vom Frühwerk ,Harmloses, bitte" (1970) bis zu ihrem als Trilogie angelegten Spätwerk ,Engste Heimat" (1995) und ,Das Kuckuckskind oder Was ich ihr unbedingt noch sagen wollte" (1998). Ihre hochreflektierte Prosa weist sie seit über dreissig Jahren als Gegenwartsautorin von internationalem Rang aus. Erica Pedretti hat zahlreiche Preise erhalten, u.a. den Preis der Schweizerischen Schiller Stiftung (1975), den Ingeborg Bachmann-Preis (1984), den Mitteleuropäischen Vilencia Preis 1999. Neben ihrem literarischen Archiv hat das Schweizerische Literaturarchiv exemplarische künstlerische Arbeiten erworben.
Werner Weber (1919 - 2005) war von 1946 bis 1973 bei der Neuen Zürcher Zeitung Redaktor im Ressort Literatur, Kunst, Wissenschaft, das er von 1951 an als Ressortchef leitete. Während seiner Zeit bei der NZZ erwarb er sich den Ruf eines einfühlsamen Kritikers und verständnisvollen Förderers von Autorinnen und Autoren. Im Feuilleton der NZZ veröffentlichte er früh schon Texte zuerst von Dürrenmatt und Frisch, später von Otto F. Walter, Hugo Loetscher, Adolf Muschg und Hermann Burger. 1973 wurde Werner Weber auf den eigens für ihn geschaffenen Lehrstuhl für Literaturkritik der Universität Zürich berufen, den er bis 1987 innehatte. Das SLA hat seinen Briefnachlass als Geschenk erhalten.
Urs Widmer, geboren 1937 in Basel, arbeitete nach seinem Studium als Lektor bei den Verlagen Walter und Suhrkamp. Er hat ein umfangreiches erzählerisches und dramatisches Werk verfasst. Seine Erzählung ,Der blaue Syphon" und der Roman ,Der Geliebte der Mutter" gehören zu den erfolgreichsten Texten der neueren deutschsprachigen Literatur, sein Theaterstück ,Top Dogs" wurde und wird weltweit gespielt. Er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem Friedrich Hölderlin-Preis 2007 der Stadt Bad Homburg.
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Quelle: Pressemitteilung Bundesverwaltung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 30.4.2007
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