5.7.07

Tonbänder aus erstem NS-Prozess in Ulm aufgetaucht

Im Zuge der Recherchen für eine Ausstellung über den so genannten Ulmer Einsatzgruppenprozess wurden im Landgericht Ulm Tonbänder mit der Urteilsverkündung vom August 1958 entdeckt. Die Tonbänder sind als Archivgut vom Landesarchiv Baden-Württemberg übernommen worden, wo sie konservatorisch bearbeitet und für Nutzungen bereitgestellt werden.

Der Ulmer Einsatzgruppenprozess war der erste Prozess wegen NS-Gewaltverbrechen, der vor einem deutschen Gericht verhandelt wurde. Angeklagt waren Angehörige eines so genannten Einsatzkommandos, denen Massenerschießungen im Raum Tilsit zur Last gelegt wurden. Der Prozess leitete eine Wende in der Aufarbeitung der NS-Verbrechen ein und war auch Auslöser für die Gründung der Zentralen Stelle zur Ermittlung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen in Ludwigsburg, deren Arbeit bis heute noch nicht abgeschlossen ist.

Abb.: Tonbänder der Urteilsverkündung im "Ulmer Einsatzgruppenprozess" (© Staatsarchiv Ludwigsburg)

Eine erste technische Analyse durch das Audiovisuelle Archiv des Landesarchivs Baden-Württemberg hat ergeben, dass die Qualität der Tonbänder trotz ihres Alters von fast 50 Jahren sehr gut ist. Die Bänder enthalten Tonmaterial im Umfang von rund sechs Stunden; zu hören ist die Urteilsverkündung samt Begründung. Die Tonbänder geben nicht nur den von der schriftlichen Fassung abweichenden mündlichen Vortrag wieder, als authentische Zeugnisse geben sie bis hin zu Betonungen und Sprechpausen Einblicke in die gespannte Atmosphäre im Gerichtssaal. Sie sind damit eine wichtige Ergänzung der Prozessakten, die der Forschung schon seit längerem zugänglich sind.

Die Tonbänder werden im Staatsarchiv Ludwigsburg zusammen mit den dort verwahrten Akten über den Ulmer Einsatzgruppenprozess (Bestand EL 322 II) inventarisiert und stehen der Öffentlichkeit im Rahmen der Bestimmungen des Landesarchivgesetzes für eine Einsichtnahme zur Verfügung. Eine Nutzung des kompletten Tonmaterials ist im AV-Archiv des Landesarchivs beim Hauptstaatsarchiv Stuttgart möglich. Einen kleinen Ausschnitt finden Sie unten.

Eine erste detaillierte wissenschaftliche Analyse der Tonbandaufnahmen erfolgt im Rahmen der Vorbereitungen für die 2008 geplante Ausstellung über den Prozess, die derzeit unter Federführung des Hauses der Geschichte in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Ulm und dem Staatsarchiv Ludwigsburg vorbereitet wird.

Der sensationelle Fund war nur möglich durch eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Haus der Geschichte und dem Landesarchiv. Den entscheidenden Hinweis, dass Tonbandaufnahmen im Gerichtssaal stattgefunden haben müssen, hatte nämlich eine Mitarbeiterin des Hauses der Geschichte im Rahmen der Vorbereitungen für die Ausstellung im nächsten Jahr bei ihren Recherchen in den Prozessakten im Staatsarchiv Ludwigsburg entdeckt. Aufgrund der Hinweise aus dem Haus der Geschichte hat das Staatsarchiv alle in Frage kommenden Stellen (Staatsanwaltschaft beim Landgericht, Landgericht) eindringlich gebeten, nach dem Verbleib von Tonmaterial aus dem Prozess zu fahnden. Nach intensiver Suche wurden die gesuchten Tonbänder daraufhin von Mitarbeitern des Landgerichts Ulm auf dem Dachboden des Gerichtsgebäudes entdeckt und - ebenso wie die bereits früher übernommenen Akten - an das Staatsarchiv übergeben.

Mit der Übergabe der Bänder an das Landesarchiv ist der Erhalt der Bänder nunmehr ebenso gesichert wie ihre allgemeine Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit im Rahmen der Bestimmungen des Landesarchivgesetzes.

Weitere Informationen über die Übernahme der Tonbänder erteilt Frau Dr. Elke Koch (Tel.: 07141/186321) oder Herr Dr. Christian Keitel (Tel.: 07141/186333). Wegen Nutzungswünschen setzen Sie sich bitte mit dem AV-Archiv im Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Frau Degener (Tel.: 0711/212-4232) oder Herr Schäffner (Tel.: 0711/212-4235)) in Verbindung. Über das Ausstellungsvorhaben informiert das Haus der Geschichte in Stuttgart.

Links:
Kontakt:
Staatsarchiv Ludwigsburg
Arsenalplatz 3
71638 Ludwigsburg
Telefon: 07141/18-6310
Telefax: 07141/18-6311
Quelle: Staatsarchiv Ludwigsburg, Pressemitteilung, 28.6.2007

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