29.11.06

15 Jahre Thüringer Archiv für Zeitgeschichte »Matthias Domaschk«

Das Thüringer Archiv für Zeitgeschichte "Matthias Domaschk" (ThürAZ) in Jena ist ein unabhängiges Spezialarchiv zur Thematik Opposition/Widerstand/Zivilcourage in der DDR. Es wurde 1991 im Rahmen der Aufarbeitung der Geschichte des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) gegründet. Die personellen Wurzeln des Archivs liegen in der DDR-Opposition, wie zum Beispiel der Jenaer Gruppe Künstler für Andere. Der Archivbestand setzt sich aus privaten Sammlungen (Privatarchive), Körperschaftsarchiven und thematischen Sammlungen zusammen. Das Spektrum der Dokumente reicht dabei von persönlichen Aufzeichnungen, Fotos und Filmen bis hin zu in Kopie vorhandenen Unterlagen des MfS, Briefen und Eingaben über politischen und künstlerischen Samisdat. Samisdat (dt. Eigenverlag) meint dabei Dokumente künstlerischen oder politischen Inhalts, welche per Schreibmaschine, Ormik-, Wachs-, Siebdruck- oder Computerdruckverfahren hergestellt und an der staatlichen Kontrolle vorbei verbreitet wurden und steht dadurch in klarer Abgrenzung zu sogenannter Grauer Literatur. Zu Samisdat zählen Zeitschriften der Opposition, Aufrufe und Appelle, Reader, Offene Briefe u.a.

Die größte Materialdichte ist für die 70er und 80er Jahre des 20.Jh. zu verzeichnen. Die inhaltlichen Schwerpunkte der Sammlungen liegen hier in den Themenbereichen Frieden (Aufrüstung, Blockkonfrontation), Umweltschutz, Wehrdienst (Bausoldaten, Sozialer Friedensdienst), der Einforderung von demokratischen Grundrechten (Reisefreiheit, Wahlen) sowie der Wende 1989. Weitere Schwerpunkte sind die seit Anfang der 70er Jahre bestehende Offene Arbeit und die alternative Jugend- und Kulturszene. Gegenwärtig beträgt die Bestandsgröße ca. 400 lfm. Perspektivisch wird von einem Zuwachs der Bestände im Umfang von 15 lfm pro Jahr ausgegangen.

Der geographische Schwerpunkt liegt in den Grenzen des heutigen Freistaates Thüringen (ehem. Bezirke Erfurt, Gera, Suhl). Darüber hinaus befinden sich im Bestand Sammlungen, Materialien mit Bezug zu weiteren Orten bzw. Entwicklungen im Gesamtkontext der DDR. Im Rahmen der kontinuierlichen Sammeltätigkeit des ThürAZ besteht großes Interesse an der Erwerbung bzw. der Hinterlegung weiterer Bestände von Privatpersonen, Gruppen etc. zu den inhaltlichen Schwerpunkten des Archivs. Das ThürAZ ist eine Einrichtung des Vereins Künstler für Andere e.V. (Jena). Das Archiv ist öffentlich zugänglich.

Vor dem Hintergrund seines 15jährigen Bestehens veranstaltete das Thüringer Archiv für Zeitgeschichte "Matthias Domaschk" (ThürAZ), am 25. November 2006 eine Tagung in Jena. Mit dieser sollte eine Initiative der DFG zum wechselseitigen Dialog zwischen Archiven und der Geschichtswissenschaft aufgegriffen werden. Die Tagung gab Einblicke in die Arbeit unterschiedlicher Archive mit den Überlieferungen der DDR. Der Fokus lag dabei insbesondere auf der Überlieferungsbildung unter den spezifischen Bedingungen der SED-Diktatur. Nachdem im Rahmen der Evaluierung des ThürAZ im Sommer 2004 die Frage nach der Einordnung und Bedeutung nichtstaatlicher Sammlungen mit regionalem Bezug aufgeworfen wurde, sollte die Tagung zudem einen Beitrag zur Kontextualisierung der staatlichen und nichtstaatlichen Überlieferungen der DDR leisten.

Diesem Gegenstand widmete sich der erste Themenschwerpunkt unter dem Titel „Bestandsbildung unter den Bedingungen einer Diktatur”. Der Rahmen reichte dabei von den nichtstaatlichen Überlieferungen, dem Bezirksparteiarchiv der SED, den kommunalen Beständen am Beispiel des Rates der Stadt Jena hin zu den Grundlagen der Bestandsbildung des MfS. Damit wurden sowohl die Unterschiedlichkeit der Problemlagen im Umgang mit den hier vorhandenen Dokumenten als auch die Überschneidungen einzelner Überlieferungen für die wissenschaftliche Arbeit verdeutlicht. Der zweite Schwerpunkt stand unter dem Titel „Erinnerungskultur versus Wissenschaftslandschaft? Entwicklungen und Perspektiven”. Gerade die im Spannungsfeld zwischen „Aufarbeitung der SED-Diktatur” und „DDR-Forschung” entstandene Geschichtslandschaft hat seit Anfang der 90er Jahre eine starke Ausdifferenzierung erfahren. Ausgehend vom Stand der DDR-Forschung sollte die mit dieser Thematik verbundene Wissenschafts- und Aufarbeitungslandschaft zwischen bürgerschaftlichem, politischem und wissenschaftlichem Engagement und die hier stattfindenden Diskussionen und Konflikte beleuchtet werden.

Kontakt:
Thüringer Archiv für Zeitgeschichte (ThürAZ)
Am Rähmen 3
07743 Jena
Tel.: 03641 228605
Fax: 03641 229743
archiv@thueraz.de

Quelle: Tagung: Archiv, Forschung, Bildung.; MDR, 25.11.2006; Thüringer Archiv für Zeitgeschichte; Ostthüringer Zeitung, 27.11.2006

28.11.06

Visual History Archive jetzt online verfügbar

52.000 Video-Interviews mit Zeitzeugen und Überlebenden des Holocaust sind künftig an der Freien Universität Berlin im "Visual History Archive" online verfügbar. Dies stellt nicht nur eine Fülle an neuen Möglichkeiten für Forschung und Lehre, sondern auch eine Europa-Premiere dar: Als erste Hochschule außerhalb der USA ermöglicht die Freie Universität Berlin den direkten Zugang zu dem Archiv des "Shoah Foundation Institute for Visual History and Education der University of Southern California", das als größtes historisches Video-Archiv weltweit gilt. Während der Dreharbeiten zu "Schindlers Liste" im polnischen Krakau äußerten zahlreiche Holocaust-Überlebende den Wunsch, vor der Kamera über ihre Erinnerungen zu berichten. Angeregt dadurch rief der Regisseur Steven Spielberg 1994 ein Projekt und eine gemeinnützige Organisation zur Dokumentation von Zeitzeugenberichten des Holocaust ins Leben. Erklärtes Ziel war, die Schilderungen von Überlebenden zu filmen, um die persönlichen Erinnerungen und individuellen Lebenswege für nachfolgende Generationen als Unterrichts- und Ausbildungsmaterial zu bewahren. Nach der kompletten Digitalisierung und Verschlagwortung des 120.000 Stunden langen Videomaterials wurde Spielbergs Organisation Teil der University of California. Das Shoah Foundation Institute konzentriert sich nun auf die Bereitstellung des wertvollen Archivs für Forschungs- und Lehrzwecke.

Nun können auch Studierende, Lehrende, Forschende sowie interessierte Gastwissenschaftler der Freien Universität Berlin das Visual History Archive nutzen. Die Interviews werden die vielseitige wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit erleichtern. Ermöglicht wurde die Kooperation zwischen der Freien Universität und dem Shoah Foundation Institute durch das große Engagement der "Friends of Freie Universität Berlin" in New York, dem International Office der Freien Universität und dem Center für Digitale Systeme (CeDiS), das als hochschuleigenes Kompetenzzentrum für e-Learning und Multimedia die Integration des Archivs vorantreibt.

Link: www.vha.fu-berlin.de

Kontakt:
CeDiS - Center für Digitale Systeme
Kompetenzzentrum e-Learning / Multimedia
Projekt "Visual History Archive"
Ihnestr. 24
14195 Berlin
Tel: 030/838-52775
Fax: 030/838-52843
vha@cedis.fu-berlin.de
www.cedis.fu-berlin.de

Quelle: Ilka Seer, Informationsdienst Wissenschaft, Freie Universität Berlin, 23.11.2006

27.11.06

Karlsruher Sportarchiv

Die Sportstadt Karlsruhe baut mit Unterstützung der Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg ein Sportarchiv auf, das an zentraler Stelle im Stadtarchiv historische Unterlagen zum lokalen Sportgeschehen, u. a. Urkunden, Vereinsakten, Protokollbände, Bilder, Filme und Sportgeräte sichert, bearbeitet und der Öffentlichkeit zugänglich macht.

Abb.: Athlethengesellschaft Karlsruhe. Um 1920 (Foto: Stadtarchiv Karlsruhe)

Seit Anfang des Jahres 2005, alsdie Öffentlichkeitaufgerufen wurde, historische Sportarchivalien als Leihgabe, Depositum oder Schenkung zur Verfügung zu stellen, entsteht so ein auf kommunaler Ebene bislang einmaliges Archiv.

So übergaben uns zahlreiche Privatpersonen wichtige Dokumente und Bilder, aber auch Vereine wie die ESG Frankonia und der Karlsruher Turnverein ihre kompletten Vereinsarchive, die nun im Stadtarchiv unter optimalen Lagerungsbedingungen sicher für spätere Generationen aufbewahrt werden.

Alle Unterlagen werden digitalisiert und können im Stadtarchiv am PC eingesehen werden.
Desweiteren wird an einer web-basierten Darstellung der historischen Entwicklung dieser Karlsruher Vereine mit entsprechenden Illustrationen gearbeitet. Daraus soll eine interaktive Datenbank aller Karlsruher Sportvereine "Karlsruher Sportgeschichte digital" entstehen, die dem interessierten Nutzer mittelfristig auch im Internet zur Verfügung stehen soll. Karlsruher Bürger und Bürgerinnen und vor allem die Sportvereine sind aktiv eingebunden.

Quelle: Institut für Stadtgeschichte / Stadtarchiv Karlsruhe.

26.11.06

Online-Recherche im Stadtarchiv Wedel verbessert

Vielen Nutzern des Stadtarchivs Wedel - wie Ahnenforschern, Schülern, Studenten und allen geschichtsinteressierten Hobby-Forschern - wird die Recherche nach bestimmten Themen erleichtert. Stadtarchivarin Anke Rannegger weist darauf hin, dass zahlreiche Daten nun auch ins Internet gestellt sind. Unter www.wedel.de gelangt man über den Link „Geschichte“ zum Stadtarchiv und kann dort unter anderem Findbücher im PDF-Dateiformat einsehen. Es besteht außerdem die Möglichkeit, sich die Beständeübersicht des Stadtarchivs Wedel sowie Literatur zur Geschichte Wedels herunterzuladen. Interessant ist dieses vor allem auch für Schüler und Lehrer, mit denen das Stadtarchiv eine intensivere Zusammenarbeit anstrebt. Denn ein erster wichtiger Grundstein für das kulturhistorische Verständnis von Kindern an dem eigenen Umfeld wird mit dem Schulfach Heimatkunde gelegt. Aber auch bei älteren Schülern bietet das Wissen um die eigene Stadtgeschichte ein weites Feld für spannenden Unterricht im unmittelbaren Lebensumfeld.

Findbücher des Stadtarchiv Wedel (PDFs):
Es ist für Lehrende und Lernende gleichermaßen eine große Chance "Geschichte von unten" zu entdecken. Für das Schulfach Heimatkunde wurde 2003 in einer Projektarbeit durch 10 Lehrkräfte von Wedeler Grundschulen - initiiert und unterstützt durch das Stadtarchiv Wedel - eine Materialkiste zusammengestellt. Diese Kiste ist der Grundstein für zeitgemäßen und spannenden Heimatkundeunterricht, befindet sich mehrfach in jeder Wedeler Grundschule und wartet auf neue Materialien. Das Stadtarchiv Wedel ist hier grundsätzlich für Fragen und Projektwünsche von Schulen offen und hilft dabei gern. Selbstverständlich kann auch Schülern der weiterführenden Schulen im Archiv weitergeholfen werden. Sowohl für Referate, Schulprojekte oder fachübergreifende Arbeiten zu den verschiedensten Fragestellungen, z.B. zur Industrialisierung, zur Geschichte des Nationalsozialismus oder zur Flüchtlingsgeschichte nach 1945 gibt es interessante Archivalien im Stadtarchiv Wedel.

Abrufbar ist auch die Sammlung des Stadtarchivs über den Wedeler Pastor, Barockdichter und Naturwissenschaftler Johann Rist (1606-1667), dessen 400. Geburtstag die Stadt 2007 feiert. Nähere Informationen dazu gibt es unter www.ristjahr2007.de. Zusammengetragen wurden die Unterlagen in den 60er und 70er Jahren durch den Stadtarchivar Gustav Maushake. Zeitgleich sammelte der Kantor der Wedeler Kirchengemeinde Heinz Kegel Unterlagen zu Johann Rist. Aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung zwischen der Kirchengemeinde und der Stadt Wedel übernahm das Stadtarchiv Wedel nach dem Tod von Heinz Kegel im Dezember 2003 die Sammlung und ordnete sie. Seitdem ist sie für alle Interessierten nutzbar.

Kontakt:
Stadtarchiv Wedel
Rathausplatz 3-5
22880 Wedel
Tel.: 04103 / 707 215
Fax: 04103 / 707 88 215
a.rannegger@stadt.wedel.de

Quelle: Anuschka Unger, Barmstedter Zeitung, 17.11.2006; Rist Archiv; Stadtarchiv und Schule.

Launch des Web-Portals »zeitzeugengeschichte.de«

Mit einer Auftaktveranstaltung im Berliner Anne Frank Zentrums startete am 23.11.2006 das erste offene Oral History Portal zeitzeugengeschichte.de - eine Plattform für hör- und sehbare Zeitzeugnisse des NS-Regimes.

Die pädagogische Intension des Projektes ist es, an das Thema Erinnern, Gedenken und das Wissen um die Zeit des Nationalsozialismus auf der Ebene der Alltagserfahrungen heranzuführen und zugleich Medienkompetenzen zu vermitteln. Mit dem Projekt werden Multiplikatoren und Jugendlichen Technik und Inhalte zur Verfügung gestellt - von Interviewtechniken, Grundsätzen der Oral History, geschichtlicher Einordnung über technische Anleitungen zu Video- und Audioschnitt bis hin zur Publikation der Beiträge auf dem Portal.
In der gerade laufenden Pilotphase werden Inhalte publiziert, die Jugendliche aus Berlin per Video und Audio aufgenommen haben und dabei von Fachleuten des Projektes betreut werden.

Das Portal wird kontinuierlich ausgebaut und sieht sich als offene Plattform für Beiträge von Bildungseinrichtungen, Schulen, Geschichtswerkstätten etc. aus dem deutschsprachigen Raum.
Initiiert und durchgeführt wird das Projekt von der Globalen Medienwerkstatt in Kooperation mit Shoa.de, KanalB, Zeitzeugenbörse und VVN-BdA. Gefördert wird es durch Civitas und der Jugend- und Familienstiftung des Landes Berlin.

Links:
Quelle: Shoa.de Pressenews <newsletter@shoa.de>, 25.11.2006

25.11.06

Neue Internetplattform sichert historisches Kulturgut Greifswalds

Nach zwei Jahren können jetzt die meisten der erhaltenen und über 300 Jahre alten schwedischen Landkarten im Internet betrachtet werden. Möglich wird dies durch das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt " Greifswalder Digitales Archiv - die Schwedische Landesaufnahme von Vorpommern 1692-1709" - am Rechenzentrum der Universität Greifswald. Wissenschaftler, Studenten und Hobbyhistoriker können unter 1464 Karten zu 1712 Orten recherchieren, wie es damals in Greifswald und Umgebung aussah.

Diese handgezeichneten Schätze, bisher nur über persönliche Recherche im Landesarchiv Greifswald zugänglich, können nun von überall auf der Welt über das Internet abgerufen werden. Voraussetzung ist neben dem Internet-Anschluss lediglich die Installation eines Viewers, um die Dateien betrachten zu können. Nutzer, die des alten Neuschwedisch kundig sind, können direkt online in den Beschreibungsbänden stöbern und so erfahren, welche Feldfrüchte angebaut wurden, welche Berufe die Dorfbewohner ausübten, und ob der Fischfang im nahen See lohnte. Erhoben wurden diese detaillierten Daten, um die Steuer der neu-schwedischen Untertanen in Pommern bemessen zu können. Obwohl es zur Erhebung der Steuern dann nicht mehr kam, sind die Matrikelkarten und die Beschreibungsbände heute eine wahre Fundgrube, nicht nur für Geo-Wissenschaftler, Historiker und Sprachwissenschaftler, sondern auch für interessierte Laien, die sich ein Stück Heimatgeschichte erschließen wollen.

GeoGREIF sieht in eine ausbaufähige Zukunft. So planen die Sprachwissenschaftler beispielsweise, zu den Textbänden Übersetzungen einzustellen, so dass altsprachliche Textdokumente ohne aufwändige Vor-Ort-Recherche bequem über das Internet analysiert werden können. Die Geo-Wissenschaftler werden in Eigenregie weitere Karten und Materialien einstellen und wollen die Plattform zu einer zentralen Daten-Drehscheibe für das Institut für Geographie und Geologie auszubauen. Schon jetzt erhöhte sich die Zugriffsrate auf die Matrikelkarten in Landesarchiv Greifswald. Die handgezeichneten Karten werden geschont, Dokumente jeglicher Größe können mit hoher Qualität im Grafiklabor des Universitätsrechenzentrums gedruckt werden. Bei Bedarf wird der Datenbestand auf DVD, CD oder anderen Datenträgern bereitgestellt. "Die oberste Zielstellung ist der Erhalt des Kulturgutes auch für die nächsten Generationen", betonte der Direktor des Universitätsrechenzentrums, Dr. Jürgen Formella. "Dabei ist gesichert, dass die wissenschaftlichen Quellen für Studierende und Forscher kostenfrei zur Verfügung stehen."

Kontakt:
Universitätsrechenzentrum der Universität Greifswald
Direktor: Dr. Jürgen Formella
Friedrich-Ludwig-Jahnstraße 14 d
17487 Greifswald
Tel.: +49 3834 86-14 00
Fax: +49 3834 86-14 01
M +49 160-585 24 41
formella@uni-greifswald.de
www.uni-greifswald.de

Quelle: Constanze Steinke, Informationsdienst Wissenschaft, Pressemitteilung, 22.11.2006

24.11.06

Kulturelle Überlieferungen. Vereine, Verbände, Gesellschaften

In den letzten Jahrzehnten hat sich eine Verschiebung des Dokumentationsschwerpunktes von der staatlichen und kommunalen auf die private Überlieferung ergeben. Von Einzelpersönlichkeiten, Vereinen oder Verbänden strukturierte Überlieferungen werden immer wichtiger für die historische und kulturwissenschaftliche Forschung.

Um diesem Bedeutungswandel Rechnung zu tragen, veranstaltete das Rheinische Literaturarchiv (RLA) des Heinrich-Heine-Instituts in Düsseldorf vom 25. bis 26. Oktober 2006 eine interdisziplinäre Tagung zum Thema "Kulturelle Überlieferungen". Der Schwerpunkt, konzentriert auf den Untersuchungszeitraum der Jahre 1850 bis 1950, lag dabei auf der Geschichte von kulturellen Vereinigungen im Rheinland, Fragen der Bürgertumsgeschichte sowie der Vermittlung von Literatur und Kultur in rheinischen Städten.

Eingeteilt in drei Sektionen, Sektion I – Kulturelle Überlieferung und Sozialgeschichte. Ein theoretischer Ausblick; Sektion II – Literarische Vereine und Instanzen im Rheinland; Sektion III – Zensur und Volksbildung, beschäftigte man sich mit Fragen nach der spezifischen Ausprägung literarischer Infrastruktur.

Sektion I:
Daniel Schläppi aus Bern gab eine Einführung in die aktuelle Fragestellung, einen "Crashkurs" in Überlieferungsbildung und einen Einblick in zukunftsweisende sozialgeschichtliche Forschungsansätze. Mit seinem Vortrag schuf er eine theoretische Analysebasis, auf die viele der folgenden Referenten verwiesen.

Enno Stahl aus dem Rheinischen Literaturarchiv (RLA) im Heinrich-Heine-Institut folgte mit einem Überblick über die theoretischen Fundamente, die Theorie und Praxis einer Sozialgeschichte der Literatur. Er vertrat die Ansicht, dass die klassische Hermeneutik nicht zwingend in eine Sozialgeschichte der Literatur einbezogen werden müsse. Bisherige Ansätze der Münchner Forschergruppe greifen seiner Meinung nach zu kurz und versuchen immer noch die ästhetische Dimension der Texte heraus zu arbeiten, anstelle konkrete Funktionszusammenhänge von Literatur auf der Basis von archivischen Quellen zu analysieren.

Sektion II:
Beispiele der kulturellen Überlieferung auf der Grundlage archivischer Quellen aus dem Stadtarchiv Düsseldorf gab Susanne Schwabach-Albrecht. Sie erläuterte die Funktion einzelner Vereine für die Stadt, betonte aber, dass es sich bei den vorliegenden Ergebnissen nur um eine vorläufige Bestandsaufnahme handele. Eine weiterführende Auswertung der hiesigen Zeitungs- und Zeitschriftenbestände, ergänzt um weitere Recherchen in Verbands- und Vereinsarchiven sowie in Nachlässen von Funktionsträgern wird sie im Rahmen des Projekts "Literarisches Leben am Rhein" folgen lassen.

Daniela Anna Frickel aus Bonn lieferte konkrete Beispiele dafür, wie Einzelpersönlichkeiten profilgebend für Institutionen sein können. So stellte sie führende Kritiker des Rheinlands wie Carl Enders, Dettmar Heinrich Sarnetzki und Otto Brües vor. Das Augenmerk lag vor allem auf der Intention der Kritiker beim Verfassen ihre Rezensionen und auf ihren Einfluss in der Literaturlandschaft.

Daniel Mühlenfeld aus Mühlheim referierte über das Beispiel des Literarischen Vereins zu Mühlheim an der Ruhr referierte. Nachdem er zunächst über die vorhandene Quellenlage berichtete, folgte eine Darstellung der Besonderheiten des Vereins und seine Auswirkungen für Mühlheim an der Ruhr. Der Verein trug zur Ausbildung und Stärkung einer regionalen bzw. lokalen Identität bei. Die Vereinsgründung geschah jedoch durch externe Impulse. Eine eigentliche Bürgerschicht wie sie von der Bürgertumsforschung verstanden wird, existierte in Mühlheim Mitte des 19. Jahrhunderts noch nicht und bildete sich erst allmählich unter Einflussnahme des Wirtschaftsbürgertums heraus.

Sektion III:
Jürgen Herres lieferte auf der Basis der komplizierten Überlieferungsbildung im Preußischen Staatsapparat Beispiele für Zensurakten, darunter auch aus der Zensur für die berühmte und regional populäre Kölnische Zeitung.

Norbert Friedrich aus Düsseldorf verlagerte in seinem Vortrag die analytische Perspektive, indem er aus organisationsgeschichtlicher Sicht über die Gustav-Adolf-Vereine berichtete. Einen besonderen Schwerpunkt legte er auf ihre Gründungsgeschichte und die damit verbundenen spezifischen Erinnerungsleistungen.

Positiv hervorgehoben werden kann die auf der Tagung fruchtbare Zusammenarbeit zwischen den geisteswissenschaftlichen Disziplinen. Weder Historiker noch Germanisten versteckten sich hinter ihren fachspezifischen Ansichten und es zeigte eine hohe Bereitschaft, neue Erkenntnisse zu diskutieren und mit den eigenen Theorien zu vergleichen.

Ein zweiter Teil der Tagung ist für Oktober 2007 geplant. Beide Kolloquien werden in einem Tagungsband publiziert.

Daniela Schilling

Link: Langversion des Tagungsberichtes in der Elektronischen Zeitschrift www.literatur-archiv-nrw.de.

23.11.06

Neuer Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft nordrhein-westfälischer Stadtarchive

Auf ihrer Herbst-Sitzung in Duisburg wählte die „Arbeitsgemeinschaft nordrhein-westfälischer Stadtarchive des Städtetages NRW“ den Leiter des Neusser Stadtarchivs, Dr. Jens Metzdorf, zu ihrem neuen Vorsitzenden. Zu seinen Stellvertretern wurden die Direktoren der Stadtarchive in Köln und Essen, Dr. Bettina Schmidt-Czaia und Dr. Klaus Wisotzky, gewählt. Das Gremium, in dem alle nordrhein-westfälischen Großstädte vertreten sind, dient der Erörterung und Lösung archivischer Fachfragen, der Behandlung von Fragen der Aus- und Fortbildung sowie der Interessenvertretung gegenüber dem Land und den kommunalen Spitzenverbänden. „Die Archive haben in den nächsten Jahren Herausforderungen besonderer Größenordnung zu bewältigen,“ betonte Dr. Metzdorf in Duisburg. „Ganz oben auf der Tagesordnung stehen die Fragen der Sicherung von elektronischen Unterlagen und die Konservierung der akut vom Säurebefall bedrohten Papiere aus dem 19. und 20. Jahrhundert, also eines ganz zentralen Teils der historischen Überlieferung unserer Städte. Eine weitere wichtige Aufgabe besteht darin, auch die jüngeren Unterlagen der zahlreichen städtischen ‚Töchter‘, der Eigenbetriebe, Gesellschaften, Stiftungen und privatrechtlichen Organisationsformen mit kommunalen Aufgaben dauerhaft zu sichern und so deren bedeutende Tätigkeit zu dokumentieren.“

Im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit werden die nordrhein-westfälischen Stadtarchive, so Dr. Metzdorf, die Zusammenarbeit mit den Schulen und Universitäten weiter intensivieren: „Die historische Bildungsarbeit bleibt aber auch darüber hinaus eine Kernaufgabe der Stadtarchive. Als älteste Kultureinrichtungen der Städte und Informationsspeicher in Sachen Stadtgeschichte sind wir verstärkt in Sachen Identitätsbildung gefordert. Wir leisten unseren Beitrag, indem wir unsere Türen öffnen und allen gesellschaftlichen Gruppen, Bürgerinnen und Bürgern das Entdecken und Erforschen Ihres Lebensraumes ermöglichen.“

Kontakt:
Stadtarchiv Neuss
Oberstr. 15
41460 Neuss
Tel.: 0 21 31/90 42 50
Fax: 0 21 31/90 24 33
stadtarchiv@stadt.neuss.de

Quelle: Pressemeldung Stadt Neuss, 10.11.2006; Ulla Dahmen, Westdeutsche Zeitung, 21.11.2006

22.11.06

Wertvolle Bunsen-Dokumente für das Stadtarchiv Korbach

Eine umfangreiche Sammlung des gebürtigen Korbachers Christian Karl Josias Freiherr von Bunsen (1791-1860) hat der Bunsen-Forscher Dr. Frank Foerster zusammengetragen. Dabei arbeitete er mit dem Stadtarchiv Korbach zusammen, das von ehrenamtlichen Mitarbeitern verwaltet wird. Bunsen - eine der bedeutendsten Persönlichkeiten Korbachs - erwarb sich große Anerkennung als universaler Geist, gelehrter Diplomat und guter Europäer. Am 27.11.2006 übergibt Dr. Foerster die wertvollen Dokumente, bei denen es sich um Briefe Bunsens handelt, dem Stadtarchiv Korbach. Dieses überläßt sie jedoch der Alten Landesschule (ALS), die bereits einen bedeutenden Bunsennachlass besitzt, als Leihgabe, um so den Nachlass an einer Stelle zu konzentrieren.

Kontakt:
Stadtarchiv Korbach
Kirchstraße 7
34497 Korbach
Tel.: 05631 / 53943
info@stadtarchiv-korbach.de

Quelle: HNA, 21.11.2006

21.11.06

3000 Besucher an Raabes Tafel

Die Ausstellungen zum 175. Geburtstag von Wilhelm Raabe in der Braunschweiger Stadtbibliothek, dem Stadtarchiv Braunschweig und dem Städtischen Museum werden gut angenommen. Heute wurde in der Ausstellung im Stadtarchiv „Hänselmutter und Raabenvater“ die 3.000. Besucherin seit der Eröffnung der Ausstellungen am 7. September 2006 gezählt. Die Braunschweigerin Barbara Stiepel erhielt einen Raben aus Porzellan vom Leiter des Stadtarchivs, Dr. Henning Steinführer. Die Ausstellung im Stadtarchiv beleuchtet das Verhältnis des ersten hauptamtlichen Stadtarchivars Braunschweigs Ludwig Hänselmann (1834-1904) zu Wilhelm Raabe. Beide schätzten sich gegenseitig sehr, besuchten einander und standen in regelmäßigem Briefkontakt. Raabe und Hänselmann verbanden der gemeinsame Wohnort im „Krähenfeld“ und die Mitgliedschaft in Vereinen und literarischen Stammtischrunden. Bei den Kleidersellern bildeten sie als „Hänselmutter“ und „Raabenvater“ den Mittelpunkt der Vereinigung.

Im Städtischen Museum ist eine imaginäre Festtafel aufgebaut, an der illustre Freunde Wilhelm Raabes versammelt sind. Neben dem Jubilar sind dies z. B. der Gelehrte und Gründer des Städtischen Museums Carl Schiller, der Klavierbaufabrikant Theodor Steinweg, Raabes langjährige Brieffreundin Marie Jensen sowie Mitglieder der „Kleiderseller“ bzw. des Künstlerclubs „Feuchter Pinsel“. Anhand von Fotos, Zeichnungen, Skulpturen und anderen Objekten werden so die vielfältigen Beziehungen Wilhelm Raabes vorgestellt. Für einen kurzen Moment kommen somit die Freunde Wilhelm Raabes an einem Tisch zusammen.

Das Ausstellungsprojekt der Wilhelm-Raabe-Forschungsstelle in der Stadtbibliothek, die Bearbeitung des Briefnachlasses von Wilhelm Raabe, hat zahlreiche, bisher kaum bekannte oder auch unbekannte (Lebens-) Zeugnisse des Schriftstellers zutage gefördert. Raabe hat sich im Laufe seines Lebens mit nicht weniger als 2.500 Briefpartnern aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten, Berufsgruppen und Altersklassen ausgetauscht. Die Stadtbibliothek präsentiert eine Auswahl bemerkenswerter Schreiben aus dem In- und Ausland sowie kuriose Briefbeigaben, z.B. in Form von Handzeichnungen, Fotos oder Ansichtskarten.

Die drei Ausstellungen sind Bestandteil des umfangreichen Veranstaltungsprogramms „Mensch Raabe!“ und thematisieren das gesellschaftliche Umfeld des Schriftstellers, der von 1870 bis zu seinem Tod 1910 in Braunschweig lebte und hier den Großteil seines Werkes schuf. Sie sind in der Stadtbibliothek und im Stadtarchiv noch bis zum 22. Dezember 2006 und im Städtischen Museum bis zum 30. Dezember 2006 zu sehen. Als besondere Veranstaltung findet am Sonntag, 3. Dezember 2006, die „Raabe-Staffel“ statt. Die Ausstellungskuratoren führen durch die drei Ausstellungen. Start ist um 10 Uhr in der Stadtbibliothek. Der Eintritt ist frei.

Kontakt:
Stadtarchiv Braunschweig
Löwenwall 18 B
38023 Braunschweig
Tel: (05 31) 4 70-47 17
Fax: (05 31) 4 70-47 25
stadtarchiv@braunschweig.de

Quelle: Pressemeldung Stadt Braunschweig, 21.11.2006

20.11.06

Tagung des Arbeitskreises oberfränkischer Kommunalarchivare

Zwei Mal pro Jahr treffen sich die Mitglieder des Arbeitskreises oberfränkischer Kommunalarchivare zu Tagungen, bei denen es um Fortbildung und Erfahrungsaustausch geht. Außerdem stehen Fachvorträge und Mitteilungen zu überregionalen Ereignissen und Entwicklungen auf dem Programm. Bei der letzten Arbeitssitzung im November 2006 in Hof ging es vor allem um Findmittel im Kommunalarchiv. Da es vielen Benutzern oft Schwierigkeiten bereitet, die archivischen Verzeichnisse und Erschließungssysteme zu lesen und richtig zu verstehen, wurde darüber beraten, wie man deren Recherchen erleichtern und angemessen unterstützen könne. Das Problem ist darauf zurückzuführen, dass die Archive betreffsorientiert, also nach dem Aktenplan oder der Struktur einer Behörde gegliedert sind und nicht inhaltsorientiert, wodurch die Suchmöglichkeiten auf eine bestimmte Fragestellung eingeengt werden könnten. Die gliederungsorientierte Recherche kann bisher nicht durch herkömmliche Suchmaschinen ersetzt werden, da diese bei weitem nicht die ganze Anzahl der benötigten Archivalien anzeigen. Welche Entwicklungsmöglichkeiten es dazu in absehbarer Zeit geben könnte, machte Dr. Robert Zink deutlich, der bei der Tagung die Datenbank des Staatsarchivs Bamberg vorstellte, die den Bedürfnissen des Staatsarchivs entsprechend auch wesentlich mehr Daten enthält und somit eine größere Anzahl an Informationen aufgrund vermehrter Suchkriterien liefert.

Kontakt:
Stadtarchiv und Museum Hof
Unteres Tor 9
95028 Hof
Tel.: 09281/815-621
Fax: 09281/815-629
archiv-museum@stadt-hof.de

Quelle: Frankenpost, 16.11.2006

18.11.06

Auszeichnung für ehemalige Leiterin des Stadtarchivs Lübeck

Beim Stiftungsfest der Gemeinnützigen Lübecks am 17.11.2006 erhielt Prof. Dr. Antjekathrin Graßmann eine besondere Ehre: Die Denkmünze der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeiten. 1970 begann Antjekathrin Graßmann ihre Tätigkeit im Archiv der Hansestadt Lübeck. Am 1. April 1978 wurde sie Leiterin des Archivs und übernahm gleichzeitig den Vorsitz des "Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde", der ältesten Tochter der Gemeinnützigen. 560 Veranstaltungen hat sie in 28 Jahren durchgeführt.

Abb.: Antje Peters-Hirt, Direktorin der Gemeinnützigen, überreichte Dr. Antjekathrin Graßmann die Denkmünze der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeiten. Foto: JW.

Antje Peters-Hirt, Direktorin der Gemeinnützigen, hob in ihrer Rede hervor, dass die herausragenden Eigenschaften von Antjekathrin Graßmann historisches Wissen, weite Kenntnisse verschiedenster Art, Einsatz, Fleiß, wissenschaftliche Redlichkeit, Authentizität und schließlich Liebe zum Gegenstand seien. Obwohl sie zum 1.6.2005 aus dem aktiven Dienst ausgeschieden ist (siehe Bericht vom 26.5.2005), besucht Dr. Graßmann noch oft das Archiv. Sie arbeitet an weiteren Publikationen über die Geschichte der Hansestadt Lübeck. Zwei aktuelle Werke von ihr aus dem Jahr 2006 sind

  • Antjekathrin Graßmann (Hrsg.), Lübeck-Lexikon - Die Hansestadt von A bis Z, Lübeck 2006, Preis: 29,80 EUR
  • Beständeübersicht des Archivs der Hansestadt Lübeck, hrsg. von Antjekathrin Graßmann unter Mitarbeit von Kerstin Letz u.a. (Veröffentlichungen zur Geschichte der Hansestadt Lübeck, Reihe B, Bd. 29), Lübeck 2005, Preis: 19,50 EUR, (soeben in 2. Auflage, völlig überarbeitet und erweitert, erschienen).

Kontakt:
Archiv der Hansestadt Lübeck
Mühlendamm 1-3
23552 Lübeck
Tel.: 0451/122 4152
Fax: 0451/122 1517
archiv@luebeck.de

Quelle: hl-live, 18.11.2006.

17.11.06

Neuer Vorsitzender der Bundeskonferenz kirchlicher Archive

Der Passauer Diözesanarchivar Dr. Herbert Wurster (56) wurde Mitte November 2006 zum neuen Vorsitzenden der Bundeskonferenz kirchlicher Archive in Deutschland gewählt. Er wurde damit Nachfolger seines Hildesheimer Kollegen Dr. Thomas Scharf-Wrede, der vier Jahre lang dem höchsten Gremium der katholischen Archive in Deutschland vorgestanden hatte. In seine Amtszeit fielen die umfangreichen Untersuchungen zu Zwangsarbeitern in katholischen Einrichtungen während des Zweiten Weltkrieges. Außerdem hat sich Scharf-Wrede bemüht, die Arbeit der Bundeskonferenz durch „Arbeitsgespräche“ effektiver zu gestalten. Auch die Fortbildung der Archivare wurde unter dem Vorsitz des Hildesheimer Bistumsarchivars in den vergangenen Jahren verbessert.

Abb.: Die kirchlichen Archivare Deutschlands bei ihrem Spaziergang über den Hildesheimer Domhof; Bildquelle: bph

Bei der diesjährigen Jahreskonferenz der Vereinigung im Priesterseminar Hildesheim, an der auf Anregung von Dr. Scharf-Wrede neben den Archivdirektoren erstmals auch Archivleiter überdiözesaner Einrichtungen, wie der Caritas und kirchlicher Hilfswerke, teilnahmen (insgesamt rund 30 Teilnehmer), ging es inhaltlich unter anderem um die Neuordnung der Schriftgutverwaltung in den Bistümern angesichts von Gemeindefusionen, Pfarrhofverkäufen und anderen großen Umstrukturierungsmaßnahmen der kirchlichen Organisationen. Eine Arbeitsgruppe der Bundeskonferenz erarbeitet dafür in den nächsten Monaten konkrete Vorschläge für die Organisation der Schriftgutverwaltung.

Eine weitere wesentliche Koordinationsaufgabe der Bundeskonferenz der nächsten Jahre betrifft den Umgang mit der elektronischen Überlieferung. "Wir müssen das so organisieren, dass diese elektronische Überlieferung in einer neuen technischen Umwelt weiterleben kann", beschreibt der neue Vorsitzende Herbert Wurster die Herausforderung für die Archivare.

Quelle: Raimund Meisenberger, Gespräch mit Herbert Wurster, Passauer Neue Presse (PNP), 15.11.2006; katholisch.de, 13.11.2006.

16.11.06

Nachlass des Filmpioniers Oskar Messter erschlossen

Anlässlich des 140. Geburtstages des Filmpioniers Oskar Messter präsentiert das Bundesarchiv erstmals Findbücher zu dessen Nachlass im Internet.

Als zweites Kind der Eheleute Marie und Eduard Messter am 21. November 1866 in Berlin geboren, trat Oskar Messter nach seiner Ausbildung zum Optiker und Mechaniker in die Firma seines Vaters ein. Dieser betrieb eine Werkstatt für optische und medizinische Geräte. Das 1895 aufkommende neue Medium Film - zu dieser Zeit noch eine als lebende Photographien bezeichnete Jahrmarkts- und Varieteattraktion - weckte rasch das Interesse des Technikers. Die damals bekannten Projektoren wurden jedoch, so wie der französische Apparat von Lumiére, entweder geheimgehalten, oder sie waren auf Grund ihrer Konstruktion von der Überführung in eine serienmäßige Produktion noch weit entfernt, wie beispielsweise der Doppelprojektor des Berliners Max Skladanowsky.


Abb.: © Bundesarchiv, N 1275 BILD 391-02

Dieser Tatsache begegnete Messter mit eigenen Entwicklungen. 1896 verkaufte er seinen ersten Kinoprojektor mit Malteserkreuzschaltung. Im gleichen Jahr eröffnete er das erste deutsche Kunstlichtateliers für Filmaufnahmen in der Friedrichstraße in Berlin und übernahm das Theater Unter den Linden 21 als Kino. 1903 führte Messter seine ersten Tonbilder vor. Im Ersten Weltkrieg diente er als Filmreferent. Zu seinen Aufgaben gehörte in dieser Zeit die Zensur von Photographie und Kinematographie. Unter dem Namen Messter-Woche wurde eine der bekanntesten deutschen Kriegswochenschauen produziert. Während des Krieges entwickelte Messter darüber hinaus automatische Filmkameras für Luftbildaufnahmen.

1918 verkaufte Oskar Messter verschiedene seiner Filmgesellschaften an die Universum Film AG (UFA), in deren Aufsichtsrat er 1925 eintrat. 1928 gehörte er zu den Mitbegründern der Tonbildsyndikat AG (Tobis), der er bis 1930 angehörte. Messter war darüber hinaus in zahlreichen Gremien und Vereinen tätig, beispielsweise im Deutschen Optikerverband, in der Deutschen Kinotechnischen Gesellschaft und der Spitzenorganisation der deutschen Filmindustrie. Von 1930 bis 1936 war er Beisitzer der Filmoberprüfstelle Berlin. Am 6. Dezember 1943 starb Oskar Messter kurze Zeit nach seinem 77. Geburtstag zurückgezogen in seinem Haus am Tegernsee in Bayern.

Das Bundesarchiv hat den Nachlass von Oskar Messter umfassend aufgearbeitet. Unter der Bestandssignatur »N 1275« wurden in Zusammenarbeit von Referaten der Abteilungen B, FA und G folgende, für Historiker, Film- und Kulturinteressierte gleichermaßen relevante Findmittel erstellt:

»N 1275« schriftlicher Nachlass
»N 1275 BILD«
»N 1275 TON«

Erstmals stellt das Bundesarchiv ein Ton-Findmittel zur Verfügung; ein Teil der Tonträger wurde digitalisiert und steht zum kostenfreien Download im MP3-Format zur Verfügung - beispielsweise ein Radio-Interview auf dem Kurzwellensender Berlin mit dem Regisseur Carl Froehlich und Oskar Messter aus Anlass von Messters 70. Geburtstag im Jahr 1936.

Zudem wird in einer Online-Galerie eine Auswahl an Fotos und Dokumenten aus dem Nachlass präsentiert.

Kontakt:
Babette Heusterberg
Bundesarchiv
Telefon: 03018 / 7770-949
b.heusterberg@barch.bund.de

Quelle: Bundesarchiv Berlin, Pressemitteilung, 13.11.2006; Babette Heusterberg (Bundesarchiv): Oskar Messter - Begründer der deutschen Kino- und Filmindustrie.

15.11.06

800 Jahre Heilige Elisabeth von Thüringen - Elisabethjahr 2007

Der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein, und der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Peter Steinacker, haben die gemeinsamen Aktivitäten der evangelischen Kirche und Diakonischen Werke in Hessen zum Elisabeth-Jahr 2007 vorgestellt. Im Jahr 2007 jährt sich der Geburtstag der Hl. Elisabeth von Thüringen zum 800. Mal. Die ungarische Königstochter Elisabeth, Gemahlin des thüringischen Landgrafen Ludwig IV., Stifterin des Hospitals in Marburg sowie radikale Vertreterin eines gelebten Evangeliums ist eine herausragende Gestalt der hessischen, deutschen und europäischen Kirchengeschichte. Ihr Lebensentwurf von vollständiger Armut, tätiger Nächstenliebe und selbstloser Hingabe übt noch heute große Faszination aus. Steinacker erklärte, dass man mit der Erinnerung an Elisabeth zunächst eine fremde Welt betrete. Das Mittelalter mit seiner Standesgesellschaft unterschiede sich gravierend von den heutigen Verhältnissen. Elisabeth habe hier als eine «starke Frau in einer von Männern beherrschten Welt» durch ihre alle gesellschaftlichen Konventionen sprengende Hingabe bleibende Bedeutung. Ihre an dem Hl. Franziskus orientierte Kritik kirchlicher Zustände lasse sie als Vorläuferin evangelischen Glaubens erscheinen. Hein machte deutlich, dass Elisabeth auch heute noch Vorbild für ein Leben sein könne, das für die Radikalität und Konsequenz des christlichen Glaubens steht. Hierbei gehe es nicht darum, den Lebensweg Elisabeths eins zu eins zu kopieren, wohl aber könne daraus Motivation für ein spirituelles und für die Schwachen engagiertes Leben erwachsen. Bischof Hein zeigte sich über die ökumenische Kooperation mit dem Bistum Fulda im Elisabethjahr 2007 ausgesprochen zufrieden: So werde man bei zahlreichen Veranstaltungen im Jubiläumsjahr zusammenarbeiten. Außerdem habe man eine gemeinsame Bildmarke für das Logo des Elisabeth-Jahres gefunden - eine stilisierte Darstellung Elisabeths mit einer Rose. Die Wortmarke ist jedoch unterschiedlich ausgefallen und lautet in den evangelischen Kirchen "Elisabeth von Thüringen. 1207-2007" und im Bistum Fulda "Heilige Elisabeth von Thüringen. 1207-2007".

Schwerpunkt der Aktivitäten im Elisabeth-Jahr wird eine Wanderausstellung sein, die unter dem Titel »Krone, Brot und Rosen« an Leben, Wirken und Nachleben dieser großen Christin erinnert. Die Ausstellung wurde inhaltlich vom Hessischen Staatsarchiv Marburg konzipiert und erarbeitet und wird von den Ev. Kirchen und Diakonischen Werken in Hessen umgesetzt und präsentiert. Die drei Begriffe »Krone, Brot und Rosen« spiegeln sich auch im Konzept der Ausstellung wider. Während das erste Drittel der Ausstellungstafeln Elisabeths Herkunft und ihren Lebensweg nachzeichnet, ist der zweite Teil der Präsentation ihrem unmittelbaren Wirken, ihrer Heiligsprechung und der Verehrung in vorreformatorischer Zeit gewidmet. Die letzte Abteilung schließlich stellt Elisabeths Nachleben seit der Reformation bis in die Gegenwart hinein dar. Mit vier Exemplaren wird die Ausstellung in mehr als 100 Orten Deutschlands und im europäischen Ausland zu sehen sein. Ein Begleitbuch, Multimedia- und andere Produkte sowie der Internetauftritt 800-jahre-elisabeth.de ergänzen die Materialien. Die Ausstellung wird erstmals ab dem 17. November 2006, dem 775. Todestag Elisabeths, im Haus der Kirche in Kassel zu sehen sein.

Quelle: Radio Vatikan, 13.11.2006; Pressemitteilungen der Geschäftsstelle des Elisabethjahres 2007, 26.10.2006; 6.7.2006; 6.3.2006

14.11.06

Ausstellung »Dienen unter Zwang«

Die Evangelische Kirche im Rheinland führt seit dem Jahr 2001 ein Versöhnungs- und Begegnungsprojekt mit ehemaligen Zwangsarbeiter/innen durch. In dessen Rahmen kam es bislang zu insgesamt vier Begegnungen und einer Ausstellung, die den Titel "Dienen unter Zwang" trägt.

Die Ausstellung entstand durch die Mitwirkung ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, ukrainischer Studierender, deutscher Schülerinnen und Schüler der Kreuznacher und der Kaiserswerther Diakonie sowie Freiwilliger der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste. Diese recherchierten die Schicksale der im Zweiten Weltkrieg nach Deutschland verschleppten Menschen. Neben der Zwangsarbeit in Einrichtungen von Kirche und Diakonie im Rheinland ging es dabei auch um die Zeit nach der Befreiung, die Rückkehr in die ukrainische Heimat und die Lebensschicksale in der ehemaligen Sowjetunion.

Die Ausstellung wurde mittlerweile mit großem Erfolg außer in den ukrainischen Städten Odessa, Simferopol und Perejaslaw-Chmelnizki auch in Düsseldorf und in Bad Kreuznach gezeigt. Sie besteht aus 19 Tafeln in deutscher, ukrainischer und russischer Sprache. Zudem liegt ein Ausstellungskatalog vor:

Jörn-Erik Gutheil u. Uwe Kaminsky (Hg.), "Dass Sie sich an uns erinnern und nach uns gesucht haben...". Erinnern, Suchen, Begegnen. Eine Schüler-Ausstellung als Beitrag des Begegnungs- und Versöhnungsprojektes der Evangelischen Kirche im Rheinland, Düsseldorf 2006

Der Begleitkatalog, in dem sich auch die 19 Tafeln abgedruckt finden, informiert über das Projekt. Darin finden sich Übersichtsbeiträge von Uwe Kaminsky über die Geschichte des Begegnungs- und Versöhnungsprojektes und von Anika Walke über die Rückkehr und Behandlung der Zwangsarbeiter/innen in der damaligen Sowjetunion. Die deutschen wie die ukrainischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops in Kiew im April 2005 geben ihre Eindrücke von der Begegnung genauso wieder wie die Geschwister Haarbeck, in deren elterlichen Haushalt eine ukrainische Haushaltshilfe tätig war.

Die Ausstellung ist kostenlos ausleihbar bei:

Evangelische Kirche im Rheinland
Landeskirchenamt, Abt. VI,
LKAR Friedrich Potthoff
Hans-Böckler-Str. 7
40476 Düsseldorf
Tel. 0211/4562-273
Friedrich.Potthoff@ekir-lka.de

Zudem ist hier der Begleitkatalog zum Preis von 12,-- Euro bestellbar.

Literaturhinweis:
Uwe Kaminsky: Dienen unter Zwang. Studien zu ausländischen Arbeitskräften in Evangelischer Kirche und Diakonie im Rheinland während des Zweiten Weltkriegs, 2. Auflage Bonn 2002 (mit einem Beitrag von Ulrike Winkler), 318 Seiten, 14 Abbildungen, ISBN 3-7749-3129-1, €18

13.11.06

Aus- und Umlagerungsaktion des Stadtarchivs Chemnitz

Aufgrund notwendiger Aus- und Umlagerungsarbeiten von Archiv- und Schriftgut bleibt das Stadtarchiv Chemnitz bis voraussichtliche Ende Dezember 2006 auch weiterhin montags geschlossen. Hintergrund für die Verlängerung der Schließzeit ist, dass die seit Mitte Juni begonnene Aus- und Umlagerung von Archiv- und Schriftgut doch mehr Zeit in Anspruch nimmt als ursprünglich vorgesehen. Im Stadtarchiv lagern außer 50 000 Fotos, Zeitungen, Nachlässen, Karten, Plakaten und Plänen vor allem 10 000 laufende Meter Akten, die jährlich um etwa 1 000 Meter ergänzt werden. Die Archivbestände umfassen die amtliche Überlieferung des Rates der Stadt und seiner einzelnen Einrichtungen, aber auch solche Unterlagen, die dem Stadtarchiv von anderen Institutionen übergeben worden sind. Der schriftliche Niederschlag der Verwaltung einer großen Stadt wie Chemnitz hat die Wirren der Zeit fast unbeschadet überstanden. Es reicht zurück bis in die Anfänge städtischer Verwaltungstätigkeit und enthält neben Akten auch zahlreiche Urkunden und Stadtbücher. Die Aktenüberlieferung beginnt im 16./17. Jh., die älteste Urkunde ist datiert von 1296 und das älteste Stadtbuch stammt aus dem Jahre 1426. Weitere wichtige und umfangreiche Bestände enthalten die Unterlagen aus den 30 umliegenden Orten, die in den Jahren 1844 bis 1999 eingemeindet worden sind. Zumeist setzt hier die Überlieferung der Gemeinderäte mit der Einführung der Landgemeindeordnung von 1838 ein und endet mit dem Prozess der Aufnahme in den Chemnitzer Stadtverband. Hervorzuheben ist weiterhin die schriftliche Überlieferung zahlreicher Chemnitzer Handwerksinnungen wie Privilegien und Artikel, Handwerks- und Rechnungsbücher, die über Jahrhunderte in den Laden der Innungen verwahrt wurden.
Die Bibliothek des Stadtarchivs ist eine Präsenzbibliothek und umfasst ca. 34.000 Bände. Der Bestand des Planarchivs, der vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart reicht und hauptsächlich auf Ablieferungen der städtischen Bauämter basiert, enthält ca. 1 600 Stadtpläne von Chemnitz, Pläne der ehemaligen Vororte und umliegenden Gemeinden sowie Flur- und Spezialkarten. Hinzu kommen ca. 8 000 Bauzeichnungen und Bebauungspläne aus dem Zeitraum 1876 - 1960. Besonders wertvoll im Bildarchiv ist eine Sammlung von rund 2.200 Postkarten, die in Farbe oder Schwarz-Weiß ein eindrucksvolles Bild der Chemnitzer Innenstadt vor ihrer Zerstörung wie auch der Umgebung der Stadt zeigen. In 98 Fotoalben sind interessante Motive sowie Persönlichkeiten der Stadt im Bild festgehalten. Gesammelt werden aber auch regionale Tageszeitungen (ab 1800 bis zur Gegenwart), die zum Großteil bereits verfilmt sind, Nachlässe bzw. Teilnachlässe und Personenfonds - darunter 12 Nachlässe Chemnitzer Schriftsteller - Karten und Pläne (17.-20. Jahrhundert), Drucksachen von Vereinen von 1830 bis 1945, Flugblätter aus dem 19. und 20. Jahrhundert, Sammlungen zur Sportgeschichte (um 1880 bis zur Gegenwart), zur Theater- und Musikgeschichte (18. Jahrhundert bis zur Gegenwart), Plakate ab dem 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart sowie Alt- und Notgeld aus dem 18.-20. Jahrhundert.

Künftig wird das Stadtarchiv Chemnitz über drei Standorte verfügen - diese drei Standorte sind: der Hauptsitz des Stadtarchivs Chemnitz in der Aue 16, die Zentrale Altregistratur in der Schulstraße 38 und das Archiv im Bürger- und Verwaltungszentrum „Moritzhof“. Mit der Aus- und Umlagerung, die bis zum Frühjahr 2007 abgeschlossen sein soll, werden historisch wertvolles, sozusagen für die Ewigkeit aufbewahrtes Archivgut, und die Unterlagen der Zentralen Altregistratur, die nur über einen gewissen Zeitraum aufzubewahren sind, künftig noch stärker und für die Nutzer auch effizienter getrennt. So wird das historische Archivgut vornehmlich in der Aue 16 seinen Platz haben und die Unterlagen der Zentralen Altregistratur in der Schulstraße 38, während sozusagen „griffbereite“ Unterlagen im BVZ „Moritzhof“ zur Verfügung stehen werden. So bietet die Aus- und Umlagerung nicht zuletzt auch eine Erweiterung und eine effizientere Auslastung der vorhandenen Magazin-Kapazität.

Kontakt:
Stadt Chemnitz
Stadtarchiv/Historisches Archiv
Aue 16
09112 Chemnitz
Tel.: 0371 488-4740
Fax: 0371 488-4799
stadtarchiv@stadt-chemnitz.de

Quelle: Mandy Schneider, Chemnitzer Morgenpost, 13.11.2006; Pressemitteilung Stadt Chemnitz, 30.10.2006

12.11.06

Gedenkbuch für die Karlsruher Juden jetzt online

1933 lebten 3.358 Juden in Karlsruhe. Über 1.000 fanden zwischen 1933 und 1945 den Tod. Sie sollten nach dem Willen der Nationalsozialisten namenlos vergessen werden. An sie erinnert das Gedenkbuch, das auf einer Gedenkliste, die 1988 im Zusammenhang mit dem Besuch der ehemaligen Karlsruher Juden im Auftrag der Stadt erstellt wurde, basiert. In ihr sind die Namen und Lebensdaten der Ermordeten aufgeführt. Auf dieser Grundlage legte das Stadtarchiv Karlsruhe eine Datenbank an, die Recherchen nach Namen, Adressen, Berufen, besuchten Schulen und Deportationsorten der Betroffenen ermöglicht. Betreut durch das Stadtarchiv Karlsruhe sollen nach und nach die Biographien der Toten von Karlsruher Bürgerinnen und Bürgern, von Jugendlichen oder Gruppen geschrieben und hinzugefügt werden. Ansprechpartner sind hier der Stadthistoriker Dr. Manfred Koch und der Projektbetreuer Jürgen Schuhladen-Krämer. Diese individuelle Hinwendung zu dem Leben der Opfer ist zugleich Bestandteil der öffentlichen Gedenkkultur der Stadt. Jede fertig gestellte Biographie wird mit dem Namen des Verfassers dem Gedenkbuch eingefügt, das nun sowohl als Datenbank und auch als materielles Buch vorliegt. Dadurch werden die auf dem Grabstein eingravierten Namen mit einer jeweils individuellen Geschichte verbunden.

Am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus wurde im Januar 2001 der Gedenkstein auf dem Karlsruher Hauptfriedhof enthüllt, auf dem alle Namen der in der Zeit des Nationalsozialismus ermordeten und zu Tode gekommenen Karlsruher Juden eingraviert sind. Er ist Ausdruck der Hoffnung, die Vertriebenen und Toten, die meist keine eigene Grabstätte haben, zumindest symbolisch heimzuholen und einen Ort des Erinnerns zu haben. Der Grabstein trägt die deutsche Inschrift: "Den von den Nationalsozialisten ermordeten Karlsruher Juden zum Gedenken". Auf hebräisch lautet die Inschrift: "Gedenket aller Seelen von Juden der heiligen Gemeinde der Stadt Karlsruhe, die in der Schoa ermordet wurden" darunter die Formel: "Seine Seele möge eingebunden sein im Bunde des ewigen Lebens". Der Grabstein ist in Verbindung mit diesem "Gedenkbuch" Teil der Erinnerungskultur in Karlsruhe.

Seit dem 10. November 2006 ist die Datenbank online abrufbar. Außerdem kann das Gedenkbuch im Stadtmuseum und in der Erinnerungsstätte Ständehaus eingesehen werden. Hier liegt auch das gedruckte Gedenkbuch mit den Einlegblättern der fertig gestellten Biographien. Nach Terminabsprache ist im Stadtarchiv ebenfalls eine Einsicht in die Datenbank und zudem eine Beratung möglich.

Link: http://my.informedia.de

Kontakt:
Institut für Stadtgeschichte
Stadtarchiv Karlsruhe
Markgrafenstraße 29
76124 Karlsruhe
Tel.: 0721/133-4225
Tel.: 0721/133-42 77
Fax: 0721/133-4299
archiv@ kultur.karlsruhe.de

Quelle: Stadtzeitung Karlsruhe Aktuell, 29.10.2006; ka-news, Online-Tageszeitung für Karlsruhe, 11.11.2006; Gedenkstein; Gedenkbuch für die Karlsruher Juden

11.11.06

Erinnerungsbuch für verfolgte jüdische Einwohner Bremens

Die Namen von mehr als 3. 700 Bremer Bürgern, die während der Zeit des Nationalsozialismus aufgrund ihres jüdischen Glaubens oder ihrer jüdischen Abstammung wegen verfolgt, deportiert und ermordet wurden oder ins Ausland fliehen mussten, lassen sich nun in einem 400 Seiten umfassenden Buch mit dem Titel "Erinnerungsbuch für die als Juden verfolgten Einwohner Bremens" nachlesen, dass von den beiden Historikern Dr. Günther Rohdenburg und Dr. Karl-Ludwig Sommer verfasst wurde.

Am 9.11.2006 stellte der Leiter des Staatsarchivs Bremen, Dr. Konrad Elmshäuser, dieses Erinnerungsbuch der Öffentlichkeit vor und betonte, dass außer Bremen noch keine vergleichbar große Stadt ein solches Gesamtkataster besitze. Fünf Jahre lang haben sich die beiden Autoren intensiv mit den unterschiedlichsten Quellen beschäftigt. Viele Einzelschicksale sind in dem Buch nachgezeichnet, in dem auch ein ausführlicher Statistikteil vorhanden ist. Finanziell unterstützt wurde das Forschungsprojekt auch von der Evangelischen und der Katholischen Kirche in Bremen sowie von diversen privaten Stiftungen. Erschienen ist das Werk als Heft 37 in der Reihe "Kleine Schriften des Staatsarchivs".

Kontakt:
Staatsarchiv Bremen
Am Staatsarchiv 1
28203 Bremen
Tel.: 0421 / 361-6221
Fax: 0421 / 361-10247
zentrale@ staatsarchiv.bremen.de

Quelle: Jörg Esser, Verlagsgruppe Kreiszeitung, 10.11.2006

10.11.06

Goethe-Manuskript für Hochschularchiv Weimar

Das Archiv der Musikhochschule Franz Liszt Weimar, das zugleich das Thüringische Landesmusikarchiv ist, erhielt jetzt Goethes Regiekritik zur Weimarer Zauberflöten-Inszenierung von 1794. Das dem Archiv von einem Privatmann geschenkte und zwischenzeitlich restaurierte Manuskript enthält Anweisungen zur szenischen Umsetzung von Mozarts Werk.

Die handschriftlichen Regieanweisungen Goethes zu Mozarts Zauberflöte können als Schlüsseldokument für das Verständnis der Theaterpraxis der Weimarer Klassik gelten. Sie ergänzen in anschaulicher Weise die handschriftliche Partitur des Werkes, die sich im Bestand "Deutsches Nationaltheater Weimar (DNT)" im Thüringischen Landesmusikarchiv befindet.

Kontakt:
Hochschule für Musik „Franz Liszt“
Hochschularchiv/Thüringisches Landesmusikarchiv
hochschulzentrum am horn
Carl-Alexander-Platz 1
99425 Weimar
Tel.: (0 36 43) 55 51 16
Fax: (0 36 43) 55 52 35
archiv@hfm-weimar.de

Quelle: FAZ, 8.11.2006; TLZ, 7.11.2006

9.11.06

Museumsgütesiegel für das Stadtmuseum / Stadtarchiv Innsbruck

Bereits im Oktober 2006 wurde dem Innsbrucker Stadtarchiv/Stadtmuseum, das von Dr. Lukas Morscher geleitet wird, das österreichische Museumsgütesiegel in Eisenstadt verliehen. Am 07.11. 2006 erfolgte dann die offizielle Gratulation durch Bürgermeisterin Hilde Zach und Kulturamtsleiterin Birgit Neu im Innsbrucker Rathaus. Beide hoben in ihren Reden hervor, dass damit die gute Arbeit des Stadtarchivs/Stadtmuseums eine verdiente Anerkennung und Wertschätzung gefunden habe.

In Österreich ist die Bezeichnung "Museum" nicht so wie in anderen europäischen Ländern durch ein Gesetz definiert und damit geschützt. Die Benennung "Museum" kann daher von jedermann ohne Einschränkung für jegliche Art von Zurschaustellung von Gegenständen u.ä. benützt werden. Durch die Einführung des Museumsgütesiegels, das ICOM Österreich nach internationalen Richtlinien erarbeitet und zusammen mit dem Österreichischen Museumsbund beschlossen hat, soll es möglich sein, die echten Museen vom Wildwuchs abzugrenzen. Die vorliegenden Richtlinien für ein österreichisches Museumsgütesiegel nehmen vor allem auf die kleinen Museen Rücksicht, setzen aber mit der im ICOM Kodex der Berufsethik festgelegten Definition eines Museums klare Richtlinien. Dort wird in Art. 2, Abs. 1 das Museum als "eine gemeinnützige ständige Einrichtung, die der Gesellschaft und ihrer Entwicklung dient, der Öffentlichkeit zugänglich ist und materielle Zeugnisse des Menschen und seiner Umwelt für Studien- Bildungs- und Unterhaltungszwecke sammelt, bewahrt, erforscht, vermittelt und ausstellt" bezeichnet. Daraus ergeben sich die wichtigsten Kriterien für die Ausrichtung des Qualitätssiegels. Ziel dieser gemeinsamen Aktion von ICOM Österreich und dem Österreichischen Museumsbund soll sein, dass ein "echtes" Museum eine Verantwortung zur Bewahrung des kulturellen Erbes übernimmt und dass die BesucherInnen in einem "ausgezeichneten" Museum ein Mindestniveau an Präsentation und Serviceleistung erwarten können.

Das Innsbrucker Stadtmuseum stellt in seiner Dauerausstellung aus den Beständen des Archivs Aspekte der Stadtgeschichte vor. Besonderes und Typisches für Innsbruck wird anhand ausgewählter Themen erläutert: Lage, Stadtgründung, landesfürstliche Residenz, Stadtentwicklung, Verkehr, Gesundheit, Kultur, Sport, Tourismus, Handel, Gewerbe, Trinkwasserversorgung und Zeitgeschichtliches sind nur einige davon. Gemälde bedeutender Tiroler Künstler, Stadtansichten, Panoramabilder, historische Fotografien, seltene Realien, mittelalterliche Urkunden, Plakate und Postkarten vermitteln abwechslungsreiche und informative Einblicke in das Leben der Stadt und ihrer Bewohner. Einen intensiven Einblick in die Zeitgeschehnisse um und nach dem Zweiten Weltkrieg bietet eine Präsentation über den hauseigenen Datenbeamer. Vertiefende Informationen zu einzelnen Schwerpunkten kann sich der Besucher im Lesesaal des Archivs beschaffen, der mit allen modernen Geräten und Anschlüssen ausgestattet ist, die ein effizientes und ungestörtes Arbeiten ermöglichen. Gerade die enge Verbindung von Museum und Archiv ist eine Besonderheit dieses Hauses.
In den Jahren 2001/2002 erfolgte eine Umgestaltung des gesamten Erdgeschosses in ein Stadtmuseum, sowie eine Neugestaltung des Untergeschosses und des 1. bis 3.Obergeschosses in ein neues Stadtarchiv mit moderner Ausstattung und zeitgemäßer Sicherheitstechnik. Bei der Gestaltung des Projekts wurde besonders auf eine benutzerfreundliche und behindertengerechte Ausführung Bedacht genommen. Die Gesamtnutzfläche des neuen Stadtmuseums samt Archiv beträgt ca. 1200 Quadratmeter. Die Gestaltung und Ausstattung der einzelnen Räumlichkeiten entspricht modernstem Standard.

Das Stadtarchiv Innsbruck dokumentiert die Geschichte Innsbrucks von den Anfängen bis in die Gegenwart. Die älteste städtische Urkunde ist die Bestätigung des Stadtrechts von 1239. Gemälde, Druckgraphik, Plakate, Flugzettel, Pläne, Nachlässe bedeutender Persönlichkeiten, Verordnungen und zahlreiche Sondersammlungen komplettieren die Sammlungstätigkeit des Archivs. Überaus bedeutend ist die Fotosammlung mit etwa 100.000 Aufnahmen. Die umfangreiche Bibliothek umfasst neben Büchern auch mehrere hundert Zeitschriften und alle bedeutenden regionalen Zeitungen, teilweise bis ins 18. Jahrhundert zurückgehend. Neben einer monographischen Publikationsreihe wird neuerdings mit " Zeit – Raum – Innsbruck" auch eine fachübergreifende Zeitschrift herausgegeben, die auf aktuelle Themen und neue Forschungsergebnisse eingeht.

Kontakt:
Stadtarchiv / Stadtmuseum Innsbruck
Badgasse 2
6020 Innsbruck
Tel.: +43 (0)512-58 73 80
Fax.: +43 (0)512-58 73 80 8

Quelle: Oesterreichjournal, 8.11.2006; Das österreichische Museumsgütesiegel

Bundeskonferenz der Kommunalarchivare 2006

Bei der diesjährigen Fortbildung der Bundeskonferenz der Kommunalarchivare, die vom 7. bis 9. November 2006 in Fulda stattfand, beschäftigten sich rund 60 Archivarinnen und Archivare mit dem Thema "Kommunale Archive und ihre Benutzer im digitalen Zeitalter". Moderne Öffentlichkeitsarbeit, Präsentationen der Archive und ihrer Quellen im Internet sollten dabei einen besonderen Schwerpunkt setzen.

Im Google-Zeitalter beschäftigen sich auch die Stadtarchive längst mit den neuen Medien und nutzen sie für ihr Klientel. Über alte Zöpfe, neue Herausforderungen, Urheberrecht, geeignete Software, Onlineauftritte und den Umgang mit Datenbanken referierten Archivare aus ganz Deutschland. Der Leiter des Fuldaer Stadtarchivs, Dr. Thomas Heiler, gab seinen Berufskollegen einen Praxisbericht unter der Überschrift "Erschließung als Kernstück archivarischer Arbeit?". Dr. Edgar Kutzner zeigte seinen Kollegen den Neubau des Bistumsarchivs.

Um die Positionierung der Archive im sich neu organisierenden digitalen Produktionsprozess wird es vom 15. bis zum 17. November 2006 beim Seminar des Vereins Fortbildung Medienarchivare/-dokumentare (VFM), das unter dem Thema steht „Dokumentare und Informationsvermittler im Contentmanagement“. Das Seminar, das ebenfalls erstmals in Fulda stattfindet, richtet sich in erster Linie an Mitarbeiter und Leiter von Rundfunk- und Medienarchiven.

Quelle: Carla Ihle-Becker, Osthessen-News, 7.11.2006

8.11.06

Brand der Wormser Synagoge 1938

Aus Anlass des Jahrestages des Pogroms vom 9.-11. November 1938 findet eine Ausstellung der Fotoabteilung des Wormser Stadtarchivs im Jüdischen Museum (Raschi-Haus, Hintere Judengasse 6) statt. Eröffnet wird die Ausstellung "Der Brand der Wormser Synagoge am 10.11.1938" am 9. November 2006 und ist bis zum 28.02.2007 zu besichtigen. Zur Ausstellungseröffnung wird der Leiter des Stadtarchivs und des Jüdischen Museums, Dr. Gerold Bönnen, zur Bedeutung der Fotoserie und ihrem Quellenwert sowie zu dem Fotografen der Bilder Informationen geben und damit ein einschneidendes Ereignis der jüngeren Stadtgeschichte näher beleuchten. Als am 10. November 1938 überall im Deutschen Reich mit der Zerstörung von Synagogen die Verfolgung der Juden in eine neue Phase eintrat, brannte auch die 1034 geweihte Synagoge in Worms. Die Bilder zeigen den Brand der Synagoge aus verschiedenen Richtungen. Sie dokumentieren allerdings nicht nur das faktische Ende der jahrhundertealten Geschichte der ältesten Synagoge auf deutschem Boden, sondern auch das Verhalten vieler neugieriger Zuschauer. Zum ersten Mal zeigt das Stadtarchiv diese Serie von mehr als 20 Fotos vom Synagogenbrand in Worms, die in den 1980er Jahren in das Fotoarchiv gelangt ist.

Das Fotoarchiv des Wormser Stadtarchivs zählt zu den bedeutendsten kommunalen Einrichtungen dieser Art über das Land Rheinland-Pfalz hinaus. Es geht in seinen Anfängen auf den Museums- und Archivdirektor Dr. Friedrich Illert zurück, der in dem von ihm geleiteten Museum seit den 30er Jahren die Einrichtung einer Fotowerkstätte betrieb. Diese wurde Ende 1941 durch Übernahme der Negative und Gerätschaften des Fotografen Kurt Füller (1901-1976) förmlich eingerichtet, der auch ab 1945 die Leitung übernahm. Mit seinem Verlag bzw. Fotogeschäft hatte das Museum bereits im Jahre 1930 einen Vertrag über Rechte an Fotografien im neu eingerichteten Museum abgeschlossen. Im Jahre 1952, als die Bestände der Fotoabteilung der damaligen Kulturinstitute in einer Ausstellung präsentiert wurden, umfasste der Bestand ca. 50.000 Negative. Das Fotoarchiv war innerhalb des Städtischen Museum im Andreasstift ein Bestandteil der bis Ende 1979 bestehenden Städtischen Kulturinstitute und blieb diesen bis zu seinem Übergang an das inzwischen verselbständigte Stadtarchiv angeschlossen. 1982 erfolgte der Umzug in das Raschi-Haus.

Den Grundstock der Sammlung bildeten Nachlässe namhafter Fotografen, darunter die von Christian Herbst (1859-1929) und August Füller (1870-1942), Vater von Kurt Füller. Die Gliederung des Füllerschen Fotonachlasses bildete die Grundlage für das bis heute verwendete Gliederungsschema bzw. die Systematik der Sammlung. Kurz nach 1945 wurden die bis heute verwendeten Alben mit den für die Benutzung vorgesehenen Kontaktabzügen erstellt. Weitere wichtige Nachlassgeber waren Leopold Hanselmann (1900-1942, Fotobestand zur NS-Zeit mit ca. 6.000 Glasplattennegativen, komplett gescannt und erschlossen) und Andreas Lonsdorfer (1880-1969). Außerdem enthält die Abteilung die Aufnahmen der verschiedenen städtischen Fotografinnen und Fotografen seit 1941. Die umfangreiche Fotoabteilung des Stadtarchivs verwahrt mehr als 200.000 Negative, Alben mit Kontaktabzügen für Benutzungszwecke, eine umfangreiche Diasammlung und ca. 25.000 digitalisierte Fotodatensätze.

Kontakt:
Stadtarchiv Worms
Raschi-Haus
Hintere Judengasse 6
67547 Worms
Tel.: (0 62 41) 8 53-47 00 (bis - 47 07)
Fax: (0 62 41) 8 53-4710
stadtarchiv@worms.de

Quelle: Stadtarchiv Worms, Veranstaltungen; Stadtnachrichten, 3.11.2006; Entwicklung und Bestände der Fotoabteilung des Stadtarchivs Worms.

Iptinger Gemeindearchiv hat viel zu bieten

Johann Georg Rapp und Johannes von Huber gehören zu den bekanntesten historischen Persönlichkeiten, die aus dem Wiernsheimer Teilort Iptingen stammen. Der eine überwarf sich um das Jahr 1800 mit der evangelischen Kirche und wanderte mit zahlreichen radikalpietistischen Anhängern nach Amerika aus. Der andere brachte es etwa zur gleichen Zeit vom Schuhmacherlehrling zum wohlhabenden Kaufmann und Bankier im französischen Honfleur.

„Doch die Iptinger Geschichte hat mehr zu bieten, viel mehr,“ sagt Dr. Karl Mayer, Mitarbeiter im Kreisarchiv des Enzkreises. Dr. Mayer verzeichnete seit dem Sommer 2004 die geschichtlich bedeutsamen Quellen des Ortsarchivs Iptingen. Diese Verzeichnung ist nunmehr abgeschlossen. Weit über 80 laufende Regalmeter Akten und Bände wurden in einer elektronischen Datenbank erfasst, fast 2.800 einzelne Archivalien unter die Lupe genommen. 6.500 Indexverweise ermöglichen nun einen raschen Zugriff auf alles, was den Heimatforscher interessiert: Von A wie "Abdominaltyphus" bis Z wie "Zwangsarbeiter".

Dabei enthält das Iptinger Archiv neben den zu erwartenden Quellen wie Gemeinderatsprotokollen oder Gemeindepflegrechnungen auch Ungewöhnliches – etwa zahlreiche Baugesuche aus der Mitte des 19. Jahrhunderts mit wunderschönen kolorierten Lageskizzen oder Ehescheidungsakten und Strafnachrichten aus demselben Zeitraum sowie umfangreiche Akten zu geplanten Bahn-Nebenlinien im Raum Stuttgart-Pforzheim von 1896 bis 1918. Aber auch eine dichte Überlieferung des Geschehens im Ersten Weltkrieg hat Dr. Mayer katalogisiert: Von der Versorgung der Zivilbevölkerung über den Arbeitseinsatz von Kriegsgefangenen bis hin zur Zwangsbewirtschaftung der bäuerlichen Betriebe. „Auf Gemeindeebene ist das kaum je zu finden,“ freut sich Dr. Mayer.

Abb.: Das Iptinger Archiv verfügt über eine große Zahl historischer Handzeichnungen wie dieser über Umbaumaßnahmen an der Iptinger Mühle (1846) (© Enzkreis).

Etliche ältere Foliobände, an denen der Zahn der Zeit allzu sehr genagt hatte, wurden auf Kosten der Gemeinde restauriert und erstrahlen nun in neuem Glanz. Nicht mehr zu restaurieren waren dagegen einige Rechnungsunterlagen, in denen noch Granatsplitter aus der Zeit des französischen Einmarsches im April 1945 steckten.

Dass dieser Einmarsch dennoch glimpflich verlief, zeigt das Beispiel des Nachbardorfes Serres: Dort brannte das Rathaus mit allen Unterlagen bei Kriegsende ab. „Außer einigen Güterbüchern, Hebammen-Tagebüchern und Schulunterlagen“, so Mayer, der nun die Akten von Serres verzeichnet, „hat sich nichts aus der Zeit vor 1945 erhalten.“ Gerade solche Verluste zeigen, wie wichtig es ist, die vorhandenen historischen Quellen zu sichern. In Wiernsheim, wo mit Karlheinz Oehler ein geschichtsbegeisterter Bürgermeister an der Spitze der Gemeindeverwaltung steht, stoßen solche Forderungen auf viel Verständnis.

Die historischen Schätze Iptingens sind nun gehoben und stehen dem Heimatkundler zur Einsichtnahme offen. Dass auch der Familienforscher bei rund 1.000 Einträgen im Personenindex der Datenbank fündig wird, versteht sich von selbst. Somit steht Quellenmaterial bereit, das noch über das im Jahre 1986 erschienene, informative Heimatbuch von Karl Seeger hinausreicht und den einen oder anderen Aspekt der Iptinger Ortsgeschichte genauer beleuchtet.

Zurück zu Rapp und Huber: Auch zu diesen beiden enthält das nunmehr benutzbare Archiv Neues – von Rapp etwa die Vermögensaufstellung, die anlässlich der Hochzeit seiner Eltern angefertigt wurde, oder die Bürgerrechts-Verzichterklärungen vieler seiner Anhänger, die 1804 auswanderten. Und das Wirken des Wohltäters Johannes von Huber lässt sich aus den 50 vorhandenen Rechnungen der „Johannes von Huberschen Stiftungspflege“ exakt nachvollziehen.

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Landratsamt Enzkreis - Kreisarchiv
Zähringerallee 3
75177 Pforzheim
Telefon: (07231) 308-423
Fax: (07231) 308-837
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Quelle: Enzkreis, Pressemitteilung 313 / 2006, 6.11.2006

Erste Sitzung der Mülheimer Stadtvertretung nach dem Zweiten Weltkrieg

Historische Daten, die eine Rolle in der Mülheimer Stadtgeschichte spielen, beleuchtet das Stadtarchiv Mülheim in der Serie "Mülheimer Zeitzeichen". Die einzelnen Beiträge erscheinen in unregelmäßiger Folge jeweils unmittelbar vor dem jeweiligen Gedenk- beziehungsweise Jubiläumstag und sollen den Leser einstimmen auf das anstehende 200jährige Stadtjubiläum im Jahre 2008. Das aktuelle Mülheimer Zeitzeichen des Stadtarchivs befasst sich mit der ersten Sitzung einer frei gewählten Stadtvertretung nach dem Zweiten Weltkrieg.

Am 4. November 1946 nachmittags um 16.00 Uhr trat in der festlich geschmückten Aula des Staatlichen Gymnasiums an der Von-Bock-Strasse die erste, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges frei gewählte Stadtvertretung zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Bei den Kommunalwahlen im Oktober desselben Jahres waren 39 Männer und Frauen gewählt worden, um von nun an als Vertreter der Bürgerschaft die Geschicke Mülheims zu lenken [s. Zeitzeichen 13. Oktober 1946]. Als Sitzungsort musste die Aula dienen, da es im Rathaus nach wie vor wegen der Kriegsschäden keinen geeigneten Raum gab, der für eine solche Sitzung groß genug gewesen wäre. Neben den gewählten Stadtverordneten, den leitenden Beamten und Beigeordneten der Stadtverwaltung, hochrangigen Vertretern der britischen Militärbehörde in Mülheim und Vertretern der Mülheimer Dienststelle des Schwedischen Roten Kreuzes waren zahlreiche Bürgerinnen und Bürger bei dieser ersten Sitzung anwesend. Die historische Bedeutung dieser Sitzung wurde durch Blumenschmuck und ein musikalisches Begleitprogramm angemessen unterstrichen. Im Mittelpunkt der Tagesordnung stand die Amtseinführung und Vereidigung der Stadtverordneten sowie die Wahl des Oberbürgermeisters und seines Vertreters. Bis zu diesem Tag hatte Wilhelm Diederichs (CDU) die Amtsgeschäfte geführt, nachdem er im Mai 1946 von der britischen Militärregierung als Oberbürgermeister eingesetzt worden war. Nun wurde Diederichs durch den Stadtverordneten Max Kölges (ebenfalls CDU) namens der Fraktionen von CDU und SPD als Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters vorgeschlagen. Die Wahl erfolgte ohne Gegenkandidaten durch Zuruf bei einer Gegenstimme der KPD und einer Enthaltung (Diederichs), so dass Wilhelm Diederichs der erste, frei gewählte Oberbürgermeister Mülheims nach dem Zweiten Weltkrieg wurde. In das Amt des Bürgermeisters wurde Heinrich Gröschner (SPD) gewählt. In mehr oder weniger programmatischen Reden nutzten Oberst Kennedy im Namen der britischen Militärregierung, Oberbürgermeister Diederichs und verschiedene Stadtverordnete die Gelegenheit, die zukünftigen Aufgaben und demokratischen Verpflichtungen der neu gewählten Stadtvertretung zu beschreiben. Dabei genossen die unmittelbaren Herausforderungen, die Nöte, Sorgen und Probleme des Alltags und des Wiederaufbaus ganz klare Priorität. Dennoch stand an diesem Tag nicht nur die Bewältigung existenzieller und vielfach riesiger Aufgaben im Mittelpunkt. Von nun an bestimmte ein demokratisch und frei gewähltes Gremium kommunaler Selbstverwaltung die Geschicke der Stadt in wesentlichen Fragen mit. Mit der ersten Sitzung der frei gewählten Stadtvertretung hatte auch in Mülheim an der Ruhr ein demokratischer Aufbruch begonnen.

Ergänzend dazu findet zur Zeit im Foyer des Rathauses eine Ausstellung statt, die in Berichten und Bildern den Beginn der Demokratie in Mülheim vor sechzig Jahren zeigt.

Kontakt:
Stadtarchiv Mülheim
Aktienstraße 85
45473 Mülheim an der Ruhr
Tel: 02 08 / 455 4260
Fax: 02 08 / 455 4279
stadtarchiv@stadt-mh.de

Quelle: Stadtarchiv Mülheim, Mülheimer Zeitzeichen; Andreas Heinrich, WAZ, 5.11.2006

7.11.06

Der Pionier der Geschichtsschreibung der Parapsychologie

Der Beginn der Forschung zur Geschichte des „wissenschaftlichen Okkultismus“ bzw. der Parapsychologie in Deutschland lässt sich in die erste Hälfte der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts datieren. Vor nunmehr dreißig Jahren (1976) wurde am Institut für Medizingeschichte der FU Berlin eine 524-seitige Dissertation mit dem etwas ungelenken Titel "Die Geschichte der Berliner ‚Gesellschaft für Experimental-Psychologie’ mit besonderer Berücksichtigung ihrer Ausgangssituation und des Wirkens von Max Dessoir" vorgelegt. Der Autor Adolf Kurzweg (geb. 1925), eigentlich Theologe und Arzt, betrat damals absolutes Neuland und gilt mit seiner Arbeit heute als Pionier der Geschichtsschreibung der Parapsychologie.

Angeregt durch die Entdeckung von Nachlassmaterial des als Kritiker der Parapsychologie, vor allem aber als Sexualmediziner bekannten Berliner Arztes Albert Moll, arbeitete Kurzweg rund sieben Jahre in akribischer und engagierter Weise an seiner organisationsgeschichtlichen Studie. Bei seinen Forschungen sah er sich enormen Schwierigkeiten gegenüber, insbesondere bei der Beschaffung historischer Quellen. So war es ihm damals unmöglich, „an ungedruckte Zeugnisse aus der Feder führender Vereinsmitglieder heranzukommen“. Die ungenügende Quellenlage führte abschließend zu einer gewissen Unzufriedenheit beim Autor selbst. Dennoch beurteilten die Gutachter Kurzwegs Arbeit in höchstem Maße positiv und sahen in ihr einen bedeutenden Beitrag zu einem noch unerforschten Gebiet der Wissenschaftsgeschichte.

Im Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V. (IGPP) haben Kurzwegs Recherchen zunächst keinen Niederschlag oder Widerhall gefunden – möglicherweise ein Zeichen dafür, dass in diesen Jahren historische Zugänge so gut wie keine Bedeutung im Profil der Institutsarbeit hatten. Doch auch generell wurde die Arbeit innerhalb der Parapsychologie nur wenig rezipiert. Erst die in den neunziger Jahren einsetzende Historisierung des Fachs bescherte Kurzwegs Pionierstudie größere Aufmerksamkeit. Dreißig Jahre nach ihrem Erscheinen soll sie an dieser Stelle ausdrücklich gewürdigt werden.

Kontakt:
Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V.
-Institutsarchiv-
Uwe Schellinger
Willhelmstraße 3a
79098 Freiburg
0761/20721-61
schellinger@igpp.de
www.igpp.de

Quelle: Uwe Schellinger (IGPP), Schaufenster ins Archiv 11-06, 1.11.2006

Neumarkt im Jahre 1860

Ein lebendiges Bild von Neumarkt in der Oberpfalz um 1860 zeichnen eine Ausstellung im Stadtmuseum und der als Buch vorgestellte "Physikatsbericht" des Landgerichtsarztes Dr. Franz Seraph Schweninger. Beides wurde am Montag von Oberbürgermeister Thomas Thumann, Dr. Frank Präger, Leiter des Stadtarchivs Neumarkt, Kulturamtsleiterin Dr. Gabriele Moritz, Petra Henseler, Leiterin des Stadtmuseums und Stadtrat Rudi Bayerl präsentiert.

Das Jahr 1860 in Neumarkt: Wie kleideten sich die Bürgersfrauen in der Stadt und wie die Bäuerinnen auf dem Lande? Wie feierte man Hochzeit? Wie zog man die Kinder auf, wie waren die hygienischen Verhältnisse und welche Hausmittel und Geheimrezepte verwendete man gegen Kopfschmerzen und Halsweh? Dies und noch viel mehr über Menschen, Landschaft, Flora und Fauna im damaligen Bezirksamt Neumarkt beschrieb der Landgerichtsarzt Dr. Schweninger in seinem 156seitigen Physikatsbericht an die bayerische Landesregierung. Der in der Handschriftensammlung der Bayerischen Staatsbibliothek aufbewahrte Bericht ist in zwei Hauptteile gegliedert, den medizinisch-topographischen und den ethnographischen Teil. In ersterem wurden alle natürlichen Umweltfaktoren dargestellt, von denen man annahm, dass sie Einfluss auf die menschliche Gesundheit hätten, insbesondere Lage, Klima, Saat und Ernte, geographische Beschaffenheit, Quellen, Bäche etc., Mineralquellen, Mineralien, Bodenkultur, die Verteilung des Landes in Feld, Wald etc., Fruchtbarkeit, Pflanzen und Tiere. Der zweite Teil war der Schilderung der sozialen Umwelt und der Lebensweise der Menschen gewidmet mit folgenden Themen: die physische und intellektuelle Konstitution der Bevölkerung, Verteilung der Bevölkerung, Einwohnerschaft, Verteilung, Verhältnis nach Geschlechtern, Alter etc., Bevölkerungsbewegung, Sterblichkeit, Wohnungsverhältnisse, Kleidungsweise, Nahrungsweise, Beschäftigung, Wohlstand, Reinlichkeit, Vergnügungen, Feste, Achtsamkeit bei Wöchnerinnen und Schwangeren, eheliches Leben, Geschlechtsausschweifung, Fruchtbarkeit, geistige Konstitution, Neigung zu höherer Ausbildung, Verharren in der Heimat und ihrem Leben, religiöse Haltung, Aberglaube, Mystizismus.

Diese einmalige handschriftliche Quelle, in der ein seltenes und lebendiges Zeugnis von Menschen, Landschaft, Flora und Fauna in und um Neumarkt gezeichnet wurde, hat Stadtarchivar Dr. Frank Präger bearbeitet und damit für jedermann lesbar gemacht. Sie ist als Publikation des Historischen Vereins als Neumarkter Historische Beiträge, Band 8 unter dem Titel "Medizinische Topographie und Ethnographie des Physikatsbezirks Neumarkt in der Oberpfalz. Der 'Physikatsbericht' für Neumarkt und Umgebung aus dem Jahr 1860" erhältlich.

Aus Anlass der Buchpräsentation hat das Stadtmuseum eine begleitende Ausstellung erarbeitet, die ausgewählte Textpassagen dieses Berichtes mit interessanten Exponaten illustriert. Dabei ergeben sich weitere, äußerst aufschlussreiche und zuweilen auch - aus heutiger Sicht - kuriose Einblicke in die Lebenswelt der Neumarkter "von der Wiege bis zur Bahre" Mitte des 19. Jahrhunderts. Aber auch die ärztliche Versorgung in Neumarkt im 19. Jahrhundert wird in der Ausstellung mit interessanten Exponaten und Informationen thematisiert sowie die Person des Verfassers des Physikatsberichtes illustriert. Als Amtsarzt für den Bezirk Neumarkt hatte Schweninger folgende Aufgaben: Aufsicht über das gesamte Heilpersonal vom Bader bis zur Hebamme, über die Medizinaleinrichtungen des Bezirks, die Gesundheitspolizei und die Seuchenbekämpfung, Führen einer Geburts-, Sterbe- und Krankenstatistik, Erstellen gerichtsmedizinischer Gutachten und die kostenlose Behandlung der Armen des Bezirks. Auf eigene Bitte wurde Schweninger am 1. Februar 1886 im Alter von 70 Jahren in den Ruhestand versetzt. Von der Stadt Neumarkt erhielt er Anfang März das Ehrenbürgerrecht. Am 20. Februar 1891 starb Franz Schweninger in Neumarkt. Ihm zu Ehren benannte die Stadt am 12. Juli 1912 eine Straße.

Kontakt:
Stadtarchiv der Stadt Neumarkt i.d.OPf.
Bräugasse 1
92318 Neumarkt
Tel.: 09181/261663
stadtarchiv@neumarkt.de

Stadtmuseum Neumarkt i.d.OPf.
Adolf-Kolping-Straße 4
92318 Neumarkt i.d.OPf.
Tel.: 09181 / 2401
Fax: 09181 / 255198

Quelle: Neumarkt Online, 6.11.2006

6.11.06

Spezial-Geschichte und Nachrichten von Wiedenbrück

Florenz Karl Joseph Harsewinkel (1738-1818) war in der Zeit um 1800 Stiftsdechant in Wiedenbrück. Nach Studium und weiten Reisen ließ er sich in Wiedenbrück im Schönhof (befindet sich seit dem Jahre 2003 im Freilichtmuseum Detmold) nieder, und befasste sich u.a. mit Schriften und Überlieferungen zur Stadtgeschichte. Ihm standen noch viele Urkunden und Dokumente zur Verfügung - die z.T. heute verschwunden sind - und kopierte sie im Wortlaut. Alles, was ihm zur Geschichte der Stadt und zu den Geschehnissen seiner Zeit wichtig erschien, schrieb er genauso wie Überlieferungen, die seinen Zeitgenossen noch geläufig waren, geflissentlich in seiner Handschrift nieder, die er "Spezial-Geschichte und Nachrichten von Wiedenbrück" nannte. Viele Dinge aus der Wiedenbrücker Vergangenheit, z.B. Gilden, Münzprägungen, alte Verträge, Kriege usw. sind nur durch seine handschriftlichen Aufzeichnungen belegt. Er beschreibt aber auch Löhne und Preise, Erfolge und Missstände in Landwirtschaft und Gewerbe, Wahl des Bürgermeisters usw. aus seiner Zeit um 1800. In einem "Herbarium" führt er zudem 365 Pflanzen und Kräuter auf. Insgesamt bestehen seine Aufzeichnungen zur Wiedenbrücker Geschichte aus 342 Kapiteln auf ca. 450 Seiten. Das Original dieser Handschrift befindet sich im Besitz des Heimatvereins Wiedenbrück-Reckenberg und ist im Heimatmuseum Wiedenbrück ausgestellt.

Um diese Schrift, die nur schwer zu lesen und zu entziffern ist, allen Interessierten zugänglich machen zu können, bildete sich unter Anleitung von Dr. Günter Brüning, Leiter des Kreisarchivs Gütersloh, bereits im Jahre 1990 ein Arbeitskreis der Volkshochschule und des Heimatvereins Wiedenbrück-Reckenberg. In mehrjähriger Arbeit wurde der gesamte Text erarbeitet und in das heutige Schriftbild übertragen. Die Hauptaufgabe jedoch, diese Handschrift in mühsamer Kleinarbeit in eine buchstaben-, zeilen- und seitengetreue Druckschrift - einschließlich der Abkürzungen, Überschreibungen und Fehler - zu transkribieren, übernahm dann Alfons Brielmann vom Heimatverein Wiedenbrück-Reckenberg. Die sog. "Harsewinkel-Chronik" kann nun jeder in gedruckter Form in einem Buch nachlesen, das von Alfons Brielmann herausgegeben wurde. Am 26.9.2006 stellte er es der Öffentlichkeit vor. Erschienen ist es im Verlag für Regionalgeschichte Gütersloh.

Weitere Schriften, die von Florenz Karl Joseph Harsewinkel verfasst wurden sind "Ordo ac series clericorum Wiedenbrugensium" und eine "Beschreibung des Amtes Reckenberg und der Stadt Wiedenbrück". Letztere ist leider seit einiger Zeit verschwunden. Der Heimatverein Wiedenbrück-Reckenberg und Dr. Brüning vom Kreisarchiv Gütersloh wären über Informationen zu einem möglichen Verbleib dieser Schrift sehr dankbar.

Kontakt:
Kreisarchiv Gütersloh
Wasserstraße 14
33378 Rheda-Wiedenbrück
Tel.: 05241-85-2003
Fax: 05241-85-2000
Guenter.Bruening@gt-net.de

Quelle: Presseinformation Kreisarchiv Gütersloh, 26.9.2006; Johannes Bitter, Die Glocke, 28.9.2006

5.11.06

Neuer Leiter des Landesarchivs Schleswig-Holstein

Am Montag, den 16. Oktober 2006, überreichte Staatssekretär Heinz Maurus in der Kieler Staatskanzlei dem neuen Leiter des Landesarchivs Schleswig-Holstein, Herrn PD Dr. Rainer Hering, in feierlichem Rahmen die Ernennungsurkunde. Dr. Hering war bisher stellvertretender Leiter des Staatsarchivs Hamburg und wechselte nach fast zwanzigjähriger Tätigkeit von der Elbe an die Schlei. Dr. Rainer Hering hat in Hamburg Geschichtswissenschaft, evangelische Theologie und Erziehungswissenschaft studiert, wurde dort 1989 zum Dr. phil. promoviert und habilitierte sich 2002. An der Universität Hamburg lehrt er als Privatdozent Neuere Geschichte. Sein Lehr- und Forschungsschwerpunkt ist die deutsche Geschichte im 19. und 20. Jahrhundert, insbesondere Landesgeschichte, Antisemitismusforschung, Kirchen- und Universitätsgeschichte. In Schleswig folgt er auf Prof. Dr. Reimer Witt.

Dr. Rainer Hering dankt der interimistischen Leiterin Dr. Elke Imberger (Foto: LASH)

Das Landesarchiv hat mit dem Aufbau der Beständeübersicht auf seiner Homepage sein Internetangebot entscheidend erweitert. In einem nächsten Schritt sollen auch die Findbücher online zugänglich sein. Knapp 700.000 Datensätze von 400 Findbüchern sind bereits in die hauseigene Datenbank eingegeben und werden mittelfristig internetfähig gemacht. Bereits jetzt steht die "Kommunale Wappenrolle Schleswig-Holstein" im Internet zur Verfügung, die mit über 800 Datensätzen sämtliche Wappen von Kommunen des Landes aufführt. Das Landesarchiv wird die Behörden bei der modernen Schriftgutverwaltung und bei der Einführung neuer Speichersysteme beratend begleiten, so dass sichergestellt ist, dass die elektronisch gespeicherten Informationen der Landesregierung dauerhaft gesichert sind. Des weiteren werden in der Landesverwaltung nicht mehr benötigte Unterlagen archivisch bewertet und wichtiges Schriftgut in das Landesarchiv übernommen. Dadurch sparen die Behörden Raum- und Personalkosten, was dem Landeshaushalt zugute kommt. Um ein reibungsloses Verfahren an der Schnittstelle zwischen Verwaltung und Archiv zu ermöglichen, beteiligt sich das Landesarchiv an der Registratorenfortbildung und bietet darüber hinaus Beratungsverträge und Workshops auch für Kommunalarchive an.

Am 4.11.2006 wurde die erste Ausstellung unter der Regie von Dr. Rainer Hering mit dem Titel "Kostbarkeiten - Glanz, Zerfall und Erhaltung von Archivgut" eröffnet. Das Landesarchiv sieht historische Ausstellungen als wichtigen Teil seiner Öffentlichkeitsarbeit. Damit soll auch ein breiter historisch interessierter Kreis angesprochen werden, der bisher noch keinen Kontakt zum Landesarchiv hatte. In der Regel finden jährlich zwei Ausstellungen zu Themen der schleswig-holsteinischen Geschichte und Landeskunde statt. Die entsprechenden Räume im Erdgeschoss des Prinzenpalais sind barrierefrei und bei freiem Eintritt zu den Öffnungszeiten des Landesarchivs zugänglich. Auf Anfrage sind auch Führungen durch die Ausstellung möglich. Anstelle der sonst üblichen Vorträge werden dieses Mal Führungen durch die Werkstätten und Magazine des Landesarchivs angeboten. Denn Kapazitäten, Klima- und Lichtkonzept sowie Archivtechnik können während einer Führung anschaulich dargestellt werden. Einblicke in die Sicherungsverfilmung und in moderne Restaurierungsmethoden gibt es darüber hinaus in der Foto- und Restaurierungswerkstatt. Durch die Kombination von Ausstellung und Führung erhält jeder Interessierte somit ein nahezu vollständiges Bild von der Bestandserhaltung und Bestandsicherung im Landesarchiv.

Kontakt:
Landesarchiv Schleswig-Holstein
Prinzenpalais
24837 Schleswig
Tel.: 04621/861800
Fax: 04621/861801
landesarchiv@la.landsh.de
www.archive.schleswig-holstein.de/lash

Quelle: Das Landesarchiv begrüßt seinen neuen Leiter!, 19.10.2006; Pressegespräch mit dem Chef der Staatskanzlei Heinz Maurus, 3.11.2006